Mittwoch, 13. Januar 2021

Keine Haftung der Clearstream Banking AG gegenüber Kapitalanlegern

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

 

In einem Fall, in welchem ein Kapitalanleger festverzinsliche börsenorientierte Inhaberschuldverschreibungen einer Emittentin erworben hatte, die sich mit dem Betrieb und dem An- und Verkauf von Wind- und Solarkraftanlagen befasste, hatte ein Kapitalanleger, ohne dass zwischen ihm und der Clearstream Banking AG unmittelbare vertragliche Beziehungen bestanden, die Clearstream Banking AG wegen vermeintlicher Pflichtverletzung als Zentralverwahrerin der Globalurkunde über die emittierten Inhaberschuldverschreibungen auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Clearstream Banking AG wiederum war von der allein in vertraglicher Beziehung zum Kapitalanleger stehenden Depotbank mit der Verwahrung der Globalurkunde beauftragt worden. Die Globalurkunde erwies sich später mangels ausreichender Unterschriften als unwirksam. 

 

Dies zugrunde gelegt entschied das Oberlandesgericht Frankfurt in seiner Entscheidung vom 15.06.2020, Az. 17 U 272/19 (BKR 2020, 592, m. Anm. Freytag/Bachmeier), dass bei der Emission einer Inhaberschuldverschreibung die Clearstream Banking AG als Zentralverwahrerin für girosammelverwahrfähige Wertpapiere gegenüber dem Erwerber/Kapitalanleger keine Verpflichtung zur Prüfung der wirksamen Ausstellung der von ihr verwahrten Globalurkunde trifft, welche die Einzelrechte der Anleger verbrieft; dies selbst dann nicht, wenn sie, die Clearstream Banking AG, die mögliche Unwirksamkeit der Urkunde erkannt und die von der Emittentin eingeschaltete und sie, die Clearstream Banking AG, mit der Verwahrung der Urkunde beauftragende Depotbank darauf hingewiesen hatte. 

 

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Zur Begründung führt das Oberlandesgericht Frankfurt zunächst aus, dass bei dem der Entscheidung zugrundeliegenden Grundmodell der Drittverwahrung zwischen dem Erwerber und der Clearstream Banking AG als Zentralverwahrerin der Globalurkunde keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestünden, auf welche etwaigen Ansprüche gestützt werden könnten (Rn. 62-64). Dies deshalb, weil im Fall der Drittverwahrung jeweils zwei gesonderte Verwahrungsverträge abgeschlossen werden, und zwar der Verwahrvertrag zwischen dem Anleger und der Depotbank und der Verwahrvertrag zwischen dieser Depotbank und der Wertpapiersammelbank, weswegen die Clearstream Banking AG die Globalurkunde nicht für den Kapitalanleger, sondern allein für die Depotbank verwahrt (Rn. 63).

 

Hieran anknüpfend führt das Oberlandesgericht Frankfurt aus, dass der Verwahrvertrag zwischen der Depotbank und der Clearstream Banking AG kein Vertrag zugunsten Dritter i. S. v. § 328 BGB darstellt, weswegen der Kapitalanleger auch aus diesem Rechtsverhältnis keinerlei Rechte herzuleiten vermag (Rn. 65). Selbst wenn man aber, entgegen der Auffassung des Oberlandesgericht Frankfurt, aus diesem Verwahrvertrag zwischen Clearstream Banking AG und Depotbank dem Kapitalanleger ein eigenes Forderungsrecht einräumen wollte, bezöge sich dieses Recht nach Auffassung des Oberlandesgericht Frankfurt allenfalls auf Verpflichtungen der Clearstream Banking AG als Verwahrstelle, welche wiederum eine Verpflichtung zur Prüfung der Wirksamkeit der eingereichten Globalurkunde nicht enthalte (Rn. 66). 

 

Aber selbst wenn man eine Prüfpflicht der Clearstream Banking AG hinsichtlich der wirksamen Ausstellung der Globalurkunde annehmen wollte, wäre die Clearstream Banking AG nach Auffassung des Oberlandesgericht Frankfurt nur verpflichtet, die Emittentin oder solche von ihr beauftragten Dritte wie die Depotbank unverzüglich auf den Fehler hinzuweisen und im Rahmen des rechtlich Möglichen und wirtschaftlich Zumutbaren auf eine Richtigstellung hinzuwirken. Diese Pflicht habe aber Clearstream Banking AG im konkreten Fall erfüllt, weswegen diese nicht haftet (Rn. 67).

 

PRAXISTIPP:

 

Mit seiner Entscheidung hat das Oberlandesgericht Frankfurt zumindest in den dort betroffenen Fällen der Drittverwahrung dem Kapitalanleger bzw. Erwerber der Inhaberschuldverschreibung gegenüber dem von der Depotbank beauftragten Zentralverwahrer der Globalurkunde grundsätzlich keinerlei Direktansprüche eingeräumt. Zugleich hat es das Oberlandesgericht abgelehnt, der Zentralverwahrstelle, welche mit dem Kapitalanleger in keinerlei vertraglicher Beziehung steht, die Verpflichtung zur Prüfung der Wirksamkeit der eingereichten Globalurkunde aufzubürden und wenn, dann nur gegenüber der Emittentin oder solchen von dieser Emittentin beauftragten Dritten wie der Depotbank. Ob wiederum die Verletzung von Pflichten aus dem zwischen Depotbank und Clearstream Banking AG geschlossenen Verwahrvertrag die Depotbank berechtigt, den Schaden des Kapitalanlegers im Wege der Drittenschadenliquidation geltend zu machen, ist derzeit unklar (so wohl Freytag/Bachmeier, a.a.O.).

 


Beitragsnummer: 15021

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