Dienstag, 13. April 2021

Realkreditprivilegierung von unbebauten Grundstücken

Jürgen Müller, Leitender Berater der vdpConsultingAG

Ob die Objektart „unbebautes Grundstück“ einer Realkreditprivilegierung zugeführt werden kann, ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Eine direkte Ableitung aus der CRR ist nicht möglich. Eine Herleitung über die allgemeinen Grundsätze für die Anrechnung von Kreditrisikominderungstechniken (Art. 194 ff. CRR), sowie der Risikopositionsklassen 124, 125, 126 und 128 CRR und 402 CRR bzw. aus Aufsichtsveröffentlichungen ist erforderlich. 

Betrachtet wird nachfolgend die Ausgangslage für KSA-Institute. Der Art. 124 CRR „Durch Immobilien besicherte Positionen“ weist einer mit einem Grundpfandrecht besicherten Position ein Risikogewicht von 100 % zu. Sofern die Voraussetzungen für Wohnimmobilien (Art. 125) oder Gewerbeimmobilien (Art. 126) vorliegen, können geringere Risikogewichte in Anspruch genommen werden. Für den Fall einer „Spekulativen Immobilienfinanzierung (FK 128 CRR)“ beträgt das Risikogewicht 150 %. Damit wäre im ersten Schritt ein unbebautes Grundstück, der Forderungsklasse 124 oder 128 zuzuordnen, sofern keine Zuordnung im Retailsegment in Frage kommt. 

Es stellt sich die Frage, ob ein unbebautes Wohngrundstück in die „Durch Wohnimmobilien vollständig besicherte Risikopositionen“ (Art. 125 CRR) eingeordnet werden kann. Neben den allgemeinen Voraussetzungen dieses Artikels ist das Kriterium, ob es sich um eine Wohnimmobilie handelt. Die CRR hat hierzu in Art. 4 Abs. Nr. 74 folgende Legaldefinition: 

„Wohnimmobilie“ eine Wohnung oder ein Wohnhaus, die/das vom Eigentümer oder Mieter bewohnt wird, einschließlich des Wohnrechts in Wohnungsgenossenschaften in Schweden;

Beim unbebauten Wohngrundstück handelt es sich weder um eine Wohnung noch um ein Wohnhaus. Es könnte damit maximal über den Art. 125 Abs 1 a CRR „gegenwärtig oder künftig selbst genutzt oder vermietet werden“ eine Ableitung für Wohnbaugrundstücke stattfinden, die mit Baurecht (Baugenehmigung oder über Umgebungsbebauung) ausgestattet sind und für die eine Bebauung vorgesehen ist. Einen zusätzlichen Hinweis ergibt der § 16 Abs. 3 Satz 1 und 2 PfandBG mit der Indeckungsnahmemöglichkeit von Bauplätzen bei Pfandbriefbanken unter bestimmten Bedingungen. Eine Privilegierung für Wohnbauprojekte nach Baufortschritt kann erfolgen, sofern dies unter Aufwandsgesichtspunkten für das Institut rentabel erscheint (Hoher Aufwand für Bautenstandskontrolle und Ermittlung des Zustandswertes).


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Eine analoge Definition in der CRR für die Gewerbeimmobilien existiert nicht. Es gilt hier zusätzlich die Anforderungen aus dem Großkreditregime mit dem Art. 402 Abs. 2 lit. d CRR zu beachten. Hiernach hat die Gewerbeimmobilie baulich fertiggestellt zu sein. Diese Thematik und die Behandlung landwirtschaftlicher Grundstücke, die als „Gewerbeimmobilien“ privilegierungsfähig sind, wird gut in einer alten Veröffentlichung der BaFin „Rundschreiben 8/2011 (BA) – Umsetzung der CEBS-Großkreditleitlinie vom 11.12.2009 sowie weitere Auslegungsentscheidungen zu Großkreditvorschriften“ in der TZ. 75 und 76 beschrieben. Die Privilegierung einer unbebauten Gewerbeimmobilie scheidet damit aus.

Ein weiterer zu betrachtender Aspekt sowohl bei unbebauten Wohngrundstücken als auch unbebauten Gewerbegrundstücken stellt die „Spekulative Immobilienfinanzierung (Art 4 Abs. 1 Nr. 79 CRR)“ mit ihren 150 % Risikogewicht aus der Forderungsklasse Art. 128 Abs. 2 lit d CRR dar. Hier ist spätestens seit der Veröffentlichung der Bafin vom 30.10.2020 Klarheit geschaffen. Die Bafin führt hier zu unbebauten Grundstücken aus:

„Die Vergabe eines Darlehens zum Erwerb eines unbebauten Grundstücks erfüllt den Tatbestand der spekulativen Immobilienfinanzierung auch dann, wenn das Grundstück erst nach Bebauung mit Gewinn verkauft werden soll. Der Verkauf des Grundstücks und der Verkauf des darauf erstellten Gebäudes sind weder juristisch noch wirtschaftlich trennbar. Dies gilt auch für den damit erzielten Gewinn. Die Annahme, dass ein Grundstück vom Kunden im Bestand gehalten werden soll, so dass keine Verkaufsabsicht und damit keine spekulative Immobilienfinanzierung vorliegen, hat das Institut zu dokumentieren und zu begründen, z. B. damit, dass der Kunde explizit äußert, das Grundstück im Bestand halten zu wollen.“

Im ungünstigsten Fall ist damit das unbebaute Grundstück mit 150 % Risikogewicht zu unterlegen und nicht mit 100 % in der Risikopositionsklasse 124. 

Die Einhaltung sonstiger Kriterien aus Art. 208 CRR und allgemeiner Anforderungen aus Art. 124/125 und 126 CRR wie beispielsweise die Drittverwendungsfähigkeit, Höchstverlustraten etc. war nicht Gegenstand der Erörterungen. Diese sind wesentliche Bestandteile jeglicher Privilegierung.

Fazit

Viele unbebaute Grundstücke werden der spekulativen Immobilienfinanzierung zuzuordnen sein. Bei einem geringen Anteil von unbebauten Wohngrundstücken mit Baurecht und Bauabsicht wird eine Realkreditprivilegierung in Betracht gezogen werden können. Gewerbliche unbebaute Grundstücke sind nicht zu privilegieren. 


Praxistipps

  • Objektarten in der schriftlich fixierten Ordnung genau definieren.
  • Prozesse für Realkreditprivilegierung abgestimmt auf das Kernbankensystem festlegen.
  • Kriterien für Realkreditprivilegierung bei Mitarbeitern sensibilisieren und soweit technisch möglich qualitätssichern.


Beitragsnummer: 18119

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