Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner
In seinem Urteil v. 03.12.2020, Az. 22 O 23/20 (ZIP 2021, 402) stellt das LG Köln zunächst fest, dass sich das Recht zur ordentlichen Kündigung des Girovertrages als Zahlungsdienstrahmenvertrag grundsätzlich aus § 675 h. Abs. 2 BGB ergibt, wonach der Zahlungsdienstleister einen Girovertrag nur kündigen kann, wenn der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und das Kündigungsrecht vereinbart wurde, wobei die Kündigungsfrist zwei Monate nicht unterschreiten darf. Sodann hält das LG Köln fest, dass die Parteien in Nr. 26 AGB Sparkassen vereinbart haben, dass die Sparkassen Verträge nur bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes kündigen dürfen, wobei das LG Köln unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH v. 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18 (BB 2019, 2063 ff. m. Anm. Edelmann) klarstellt, dass in dem veränderten (Negativ-)Zinsumfeld ein sachgerechter Grund i. S. von Nr. 26 AGB Sparkassen zu sehen ist.
BUCHTIPP
Nobbe (Hrsg.): Kommentar zum Kreditrecht 3. Aufl. 2018.
Sodann führt das LG Köln aus, dass der Kündigung des Girovertrages auch nicht der in § 5 SpG NRW geregelte Kontrahierungszwang entgegenstünde. Denn nach Auffassung des LG Köln liegt im konkreten Fall nicht nur ein sachlicher Grund i. S. von Nr. 26 AGB Sparkassen vor, sondern auch ein wichtiger Grund, bei welchem trotz Kontrahierungszwang die Kündigung möglich ist Dies deshalb, weil die langjährige Niedrig- und Negativzinsphase sowie die hierdurch bedingte Belastung der Sparkasse mit der Zahlung von Negativzinsen i. H. v. 0,5 % p.a. an die EZB für bei ihr deponierten Einlagen eine so starke nachvertraglich eingetretene Äquivalenzstörung darstellt, dass der Sparkasse die weitere gebührenfreie Führung des Girokontos nicht mehr zugemutet werden kann.
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PRAXISTIPP
Es ist zwar nachvollziehbar, dass der Kunde der Sparkasse, welchem die Führung eines gebührenfreien Girokontos ursprünglich zugesagt worden war, sich darüber beschwert hat, dass die vom ihm auf sein Girokonto geleistete, mit der Sparkasse anfänglich nicht abgesprochene Einlage i. H. v. € 13. Mio. nunmehr mit einem Negativzins von 0,5 % p.a. belastet werden sollte, was einen Betrag von € 65.000,00 im Jahr ausmacht. Auf der anderen Seite ist nicht nachvollziehbar, dass der Sparkassenkunde kein Verständnis dafür aufzubringen vermochte, dass die Sparkasse mit einer derart hohen Einlage ein Girokonto nicht weiter gebührenfrei führen kann, wenn sie, die Sparkasse, gleichzeitig für diese Einlage an die EZB einen Negativzins von 0,5 % p.a. zahlen muss. Insofern ist es zu begrüßen, dass das LG Köln in der Negativzinsphase sowie in der hierdurch bedingten Belastung der Sparkasse mit Negativzinsen nicht nur einen sachlichen Grund i. S. von Nr. 26 AGB-Sparkassen gesehen hat, sondern auch einen wichtigen Grund aufgrund nachträglich eingetretener Äquivalenzstörung.
Beitragsnummer: 18123