Dienstag, 30. März 2021

Alles anders mit dem All-Crime-Ansatz?

Mit Inkrafttreten der Änderungen des § 261 StGB am 18.03.2021 wurde der Vortaten-Katalog abgeschafft.

Michael Kast, Sparkasse Ulm, Abteilungsleiter Compliance

 

Bislang war die strafrechtliche Verfolgung von Geldwäsche, also die Einschleusung von illegal erwirtschafteten Geldern in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf, nach § 261 Strafgesetzbuch (StGB) nur unter der Voraussetzung möglich, dass zuvor eine bestimmte rechtswidrige Straftat begangen wurde. Welche genau, das regelte ein präziser Vortatenkatalog in Absatz 1 der Strafnorm.


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Bundestag und Bundesrat haben nun die Abschaffung des Vortatenkatalogs der Geldwäsche in § 261 StGB beschlossen – die neuen Vorgaben gelten seit dem 18.03.2021. Nach dem neuen § 261 StGB wird grundsätzlich jeder Tatertrag aus irgendeiner Straftat ein taugliches Objekt einer Geldwäschehandlung. Bekannt sind die Neuerungen auch als "All-Crime-Ansatz".

Wie es leider in der Vergangenheit nun schon häufiger gelebte Praxis war, ist auch hier wieder keine Übergangsfrist zur Umsetzung vorgesehen.

Die Basis für diese nationale Regelung ist die am 02.12.2018 in Kraft getretene EU-Richtlinie 2018/1673 vom 23.10.2018 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche. Die Umsetzungsfrist der Richtlinie endete bereits am 03.12.2020. Nachdem uns der Gesetzgeber in 2020 kein “Advents-Geschenk” mehr gemacht hat, hat er uns nun zumindest kurz vor Ostern ein “Ei” ins Nest gelegt.

Was bedeutet das nun für die Praxis? Wir als Geldwäschebeauftragte müssen nach § 43 GwG sämtliche Verdachtsmomente auf irgendeinen kriminellen Hintergrund von Vermögensgegenständen (= Taterträgen) der FIU (Financial Intelligence Unit) melden.


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Der Verzicht auf einen konkreten Vortatenkatalog sowie auf die Beschränkung auf bestimmte Taten, kann zu einer gesteigerten Zahl von Verdachtsmeldungen führen – dies aber auch nur, wenn man nach dem Urteil des OLG Frankfurts aus 2018 nicht eh viel mehr und viel schneller als zuvor gemeldet hat. Es ist zu befürchten, dass es dennoch zu einem ganz erheblichen Mehraufwand bei den Verpflichteten des Geldwäschegesetzes, der FIU sowie den Strafverfolgungsbehörden kommt – vermutlich ohne dass den zusätzlichen Meldungen schwerwiegende Straftaten oder kriminelle Machenschaften der organisierten Kriminalität zugrunde liegen. 

Die nach derzeitiger Einschätzung größte Auswirkung hat die Anpassung des § 261 StGB für die einfachen Betrugsstraftaten sowie bezüglich der Teilnahme am unerlaubten Glücksspiel (§ 285 StGB), die bislang keine Katalogvortat zur Geldwäsche (aber schon immer illegal) war. 

Aber was heißt das konkret? Jede (Gewinn-)Gutschrift von einem Glücksspiel-/Sportwettenveranstalter, der als solcher nicht in Deutschland lizensiert ist, unterliegt nach dem neuen § 261 StGB ausnahmslos dem Geldwäschetatbestand und führt zu einer Geldwäsche-Verdachtsmeldung. Wichtig: sollten Mitarbeiter eines Verpflichteten “Glück” bei nicht lizensierten Anbietern von Glücksspielen bzw. Sportwetten haben und einen Gewinn erhalten (und das fällt dem GwB auch auf), so ist hier nicht nur das Thema der Verdachtsmeldung relevant, sondern bei vielen Kreditinstituten löst eine Verdachtsmeldung gegen eigene Mitarbeiter eine anlassbezogene Zuverlässigkeitsprüfung aus.

Hoffen wir also, dass zum 01.07.2021 wie geplant ein neuer Glücksspielstaatsvertrag („GlüStV 2021“) in Kraft tritt, sodass es dann weniger Anbieter gibt, die als „illegal“ gelten.

Ein kleiner Wermutstropfen: Nicht melderelevant sind hingegen ersparte Aufwendungen (z. B. bei Steuerdelikten (§370 AO), Insolvenzstraftaten (§§ 283-283d StGB) und der Vereitelung der Zwangsvollstreckung (§ 288 StGB) – bei diesen beispielhaft genannten Fällen fehlt es entweder an einem Tatertrag oder er ist für Kreditinstitute nur schwer bzw. gar nicht zu erkennen (wie soll man beispielsweise erkennen, ob die Steuergutschrift ggf. zu hoch ist?)).

 

Fazit: Inwiefern alles anders ist, hängt sicher auch zu einem Großteil davon ab, wie bisher das Meldeverhalten war. Hat man sich seit jeher daran orientiert, alles zu melden was “ungewöhnlich” ist, so dürfte sich der Mehraufwand (hoffentlich) in Grenzen halten. Temporär könnte es ggf. bezüglich der Thematik “illegales Glücksspiel” zu mehr Verdachtsfällen kommen – hoffen wir, dass mit dem angekündigten Glücksspielstaatsvertrag die Zahl der Verdachtsfälle deutlich sinkt.

 

PRAXISTIPPS

  • Informieren Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen hinsichtlich der Thematik “illegales Glücksspiel”.
  • Prüfen Sie Ihren Verdachtsmeldeprozess, inwiefern dieser ggf. effizienter und somit schneller gestaltet werden kann.

Beitragsnummer: 18129

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