Dienstag, 17. März 2020

Wirksamkeit der AGB-Änderungsfiktionsklausel

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

In seiner Entscheidung vom 19.12.2019, Az. 12 U 87/18, bestätigt das Oberlandesgericht Köln im Anschluss an die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 04.12.2018, Az. 16 O 428/17 (BTS Bankrecht 2019 S. 125) die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Köln vom 12.06.2018, Az. 21 O 351/17, in welcher das Landgericht die sog. AGB-Fiktionsänderungsmechanismus-Klausel für rechtswirksam erklärt hatte (vgl. hierzu Weimer, BB 2019 S. 591).

 

Zur Begründung führt das Oberlandesgericht Köln zunächst aus, dass die Fiktionsänderungsmechanismus-Klausel bereits der AGB-rechtlichen Kontrolle entzogen ist, weil diese Fiktionsklausel, wenn auch nicht wörtlich, so doch sinngemäß nur den sich aus § 675g Abs. 1 u. 2 BGB ergebenden gesetzlichen Regelungsmechanismus für die Änderungsmöglichkeit eines Zahlungsdiensterahmenvertrages widergibt, mit welchem der deutsche Gesetzgeber lediglich die in den vollharmonisierenden Zahlungsdiensterichtlinien (2007/64/WG sowie (EU)2015/2366) enthaltenen Vorgaben umgesetzt hat. 

 

SEMINARTIPPS

20. Bankrechts-Tag, 22.10.2020, Frankfurt/M.

(Un)Zulässige Bankentgelte, 24.11.2020, Frankfurt/M.

 

Sodann führt das Oberlandesgericht Köln aus, dass ungeachtet der Tatsache, dass die Zustimmungsfikitionsklausel der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen ist, die Klausel auch der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 3 S. 2 BGB standhält. Dies insbesondere deswegen, weil die Zustimmungsfiktionsklausel lediglich die gesetzliche Regelung des § 675g BGB umsetzt und eine Klausel welche inhaltlich, terminologisch und systematisch dem Gesetz entspricht, nach der anerkannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht intransparent sein kann. Hiervon unabhängig sei für das Oberlandesgericht Köln entscheidend, dass dann, wenn den einzelnen Mitgliedstaaten bei der Gesetzgebung im Zuge der Umsetzung des vollharmonisierenden Zahlungsdiensterechts weder die Begründung eines zusätzlichen materiellen Erfordernisses der Regelung von Umfang und Anlass von Vertragsänderungen noch eine entsprechende Forderung aus Gründen der Transparenz gestattet war, entsprechendes auch nicht vom Klauselverwender verlangt werden könne. Vielmehr würden an dieser Stelle die Bestimmungen der Klauselrichtlinie hinter diejenigen des Zahlungsdiensterechts insofern zurückfallen, als dann § 675g BGB sowohl die Einordnung einer nach Vertragsänderungsumfang und -anlass nicht beschränkten Zustimmungsfiktionsklausel als intransparent oder unangemessen sperrt bzw. ausschließt. 

 

Abschließend hält das Oberlandesgericht Köln fest, dass die Sperrwirkung des § 675g BGB sich nicht auf die sog. Ausübungskontrolle erstreckt, was bedeutet, dass die mittels Zustimmungsfiktion beabsichtigte Änderung und damit auch das diese Änderung ankündigende Mitteilungsschreiben der Bank dem Transparenzgebot und – außerhalb von § 307 Abs. 3 BGB – auch den Anforderungen der Inhaltskontrolle im Übrigen genügen muss. 

 

PRAXISTIPP

 

Die Frage, ob die sog. in den AGB-Banken und Sparkassen enthaltenen und sich am Wortlaut des § 675g BGB anlehnenden Fiktionsänderungsmechanismus-Klauseln AGB-rechtlich kontrollierbar sind und einer etwaigen AGB-Rechtskontrolle stand halten, wird aktuell von Verbraucherseite und insbesondere vom Bundesverband der Verbraucherzentrale e.V. problematisiert. Während die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. ausweislich des auf einem umfassenden Gutachten beruhenden Beitrags von Feldhusen (WM 2020 S. 397 ff. sowie S. 441 ff.) die Fiktionsänderungsmechanismus-Klausel für AGB-rechtlich kontrollierbar sowie für AGB-rechtlich unwirksam ansieht, wurde die Fiktionsänderungsmechanismus-Klausel bisher von der Rechtsprechung für AGB-rechtlich nicht kontrollierbar und wirksam erachtet (so bisher LG Berlin, LG Köln, OLG Köln, a. a. O.). Auch in der Literatur werden die Fiktionsänderungsmechanismus-Klauseln mit überzeugender Argumentation für AGB-rechtlich nicht überprüfbar und zudem AGB-rechtlich wirksam angesehen; dies auch unter dem Gesichtspunkt des Transparenzgebots sowie unter Berücksichtigung der Norm des § 308 Nr. 5 BGB (vgl. Habersack, BKR 2020 S. 53 ff.; Schmidt-Kessel/Rank, WM 2018 S. 2.205 ff.; Homberger, EWiR 8/2019 S. 227; sowie Edelmann, BTS Bankrecht 2019 S. 125).

 

Soweit gegen die AGB-rechtliche Wirksamkeit der Fiktionsänderungsmechanismus-Klausel vorgetragen wird, diese stehe in einem erheblichen Spannungsfeld zur durch Art. 2 GG geschützten Vertragsabschlussfreiheit, wonach einem Schweigen prinzipiell keine konstitutive Wirkung zukommt (so Feldhusen, a. a. O.), so wird verkannt, dass es eine sog. Vertragsabschlussfreiheit außerhalb gesetzlicher Regelungen nicht gibt und § 675g BGB als gesetzliche Regelung gerade in Umsetzung der vollharmonisierenden Zahlungsdiensterichtlinien Vertragsänderungen mit Zustimmungsfiktion zulässt und auch anerkennt. Soweit darüber hinaus ausgeführt wird, die Zustimmungsfiktionsklausel würde faktisch dazu führen, dass weder gegenständlich eingegrenzte noch durch einen Sachgrund gerechtfertigte Vertragsänderungen mit weitreichenden ökonomischen Konsequenzen eingeführt werden könnten (so auch Feldhusen, a. a. O.), so wird verkannt, dass nach Auffassung aller die AGB-rechtliche Wirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel bejahenden Auffassungen die sog. AGB-rechtliche Ausübungskontrolle in Bezug auf die zustande gebrachte Vertragsänderung als solche bejaht wird, mit der weiteren Konsequenz, dass der abgeänderte Vertrag nur dann wirksam ist, wenn die angebotene und angenommene Vertragsänderung als solche den §§ 307 ff. BGB stand hält (vgl. nur Habersack, BKR 2020 S. 53, 57). Insofern führt die Zustimmungsfiktionsklausel gerade nicht dazu, dass die AGB-rechtliche Justiziabilität der abgeänderten Vertragsklausel ausgeschlossen ist (so aber Feldhusen, WM 2020 S. 397, 401). Vielmehr können sowohl der betroffene Verbraucher als auch die Verbraucherverbände jederzeit auch AGB-rechtlich gegen die aufgrund des Fiktionsmechanismus herbeigeführte Vertragsänderung vorgehen, wodurch Sinn und Zweck der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle ausreichend gewährleistet ist. 

 

Ungeachtet vorstehender Ausführungen bleibt abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof über die wegen grundsätzlicher Bedeutung vom Oberlandesgericht Köln zugelassene Revision entscheiden wird und ob das Kammergericht Berlin im Berufungsverfahren der erstinstanzlichen Auffassung des Landgerichts Berlin folgen wird, wonach die Zustimmungsfiktionsklausel AGB-rechtlich nicht überprüfbar und wirksam ist.


Beitragsnummer: 6415

Beitrag teilen:

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Abgrenzung AGB/unverbindlicher Hinweis

Die vorvertragliche unverbindliche Entgeltinformation nach § 5 ZKG beinhaltet keine vertragliche regelnde sowie bestimmende Bedingung oder Regelung.

21.03.2024

Beitragsicon
Analoge Anwendung von § 288 I 1 BGB auf verspätete Kontoentsperrung

Ein Kunde hat einen Schadensersatzanspruch nach § 288 I 1 BGB , wenn ihm der Zugriff auf sein Kontoguthaben wg. verspätete Freigabe verwehrt wurde.

21.03.2024

Beitragsicon
DSGVO-Schadensersatz-, Unterlassungs- und Auskunftsanspruch

DSGVO-Pflichtverstoß, z. B. die Nichterteilung von datenschutzrechtlichen Auskünften reicht nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen.

23.10.2023

Beitragsicon
Kosten-Klausel in Riester-Sparvertrag unwirksam

Die in Riester-Vertragsklausel zur ggf." Abschluss- und/oder Vermittlungskosten“ beinhaltet eine Vertragsbedingung und verstößt gegen das Transparenzverbot.

15.01.2024

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.