Montag, 6. April 2020

Änderungen des Mietrechts

Änderungen durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Spannungsfeld zwischen Bestandsicherung für Mieter und Liquiditätssicherung für Vermieter

Dr. Martin AsalRechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

Für die Immobilienwirtschaft einschließlich der finanzierenden Banken ist die Änderungen des Art. 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (nachfolgend kurz: Covid-19-Gesetz) von großer Bedeutung. Mit dieser Änderung versucht der Gesetzgeber, den Bestand von Mietverträgen zu sichern, ohne die Liquidität der Vermieter allzu sehr zu belasten. Der Frage, ob und inwieweit dieses Ziel erreicht wird, soll hier nachgegangen werden.

Was ändert sich? Was bleibt?

Ausschluss der Kündigung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BGB

Mit Inkrafttreten der Änderung des Art. 240 EGBGB durch das Covid-19-Gesetz kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume – unabhängig davon, ob es sich um Wohn- oder Geschäftsräume handelt – nicht allein aus dem Grund gekündigt werden, dass der Mieter im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 trotz Fälligkeit der Miete die Miete nicht bezahlt, sofern die Nichtleistungen auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruhen. Vorstehender Zeitraum kann durch Rechtsverordnung der Bundesregierung bis längstens zum 30.09.2020 verlängert werden. Der Zusammenhang zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung ist vom Mieter glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt. Von dieser Regelung kann nicht zum Nachteil des Mieters durch vertragliche Vereinbarung abgewichen werden. Die Regelung ist auf ein Pachtverhältnis entsprechend anzuwenden.

 

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Kein Leistungsverweigerungsrecht des Mieters

Nicht eingeführt wird ein besonderes, Covid-19 bedingtes Leistungsverweigerungsrecht für Mieter und Pächter. Dies folgt aus Art. 5 § 1 Abs. 4 Nr. 1 Covid-19-Gesetz. Mieter und Pächter haben also auch während des Zeitraums vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 die geschuldete Miete zu bezahlen. Tun sie dies nicht, so geraten sie ohne Mahnung in Verzug, weil für die Leistung des Mietzinses eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Der Mieter kann sich auch nicht darauf berufen, er habe seine Zahlungsunfähigkeit nicht zu vertreten. Demzufolge steht dem Vermieter ein Anspruch gegen den Mieter auf Ausgleich des Verzugsschadens, also insbesondere auf Bezahlung eines Verzugszinses i. H. v. gegenwärtig 4,12 %, wenn der Mieter Verbraucher ist, und i. H. v. 8,12 % im Übrigen zu. Ausstehender Mietzins und Verzugszinsen können eingeklagt werden.

Außerkrafttreten des Covid-19-Kündigungsschutzes

Der Ausschluss des Kündigungsrechts gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BGB darf gem. Art. 5 § 2 Abs. 4 Covid-19-Gesetz bis zum 30.06.2022 angewandt werden. Diese lange Anwendungsfrist hat zur Folge, dass Mieter mit der Nachzahlung der Miete bis zum 30.06.2022 zuwarten können, ohne eine Kündigung des Mietvertrages befürchten zu müssen. Weil der Gesetzentwurf den Mietern kein Leistungsverweigerungsrecht einräumt, müssen Mieter allerdings befürchten, dass der Vermieter die Miete einklagt und ein Urteil vollstrecken lässt. Dies soll – zusammen mit der Verpflichtung, Verzugsschaden ersetzen zu müssen – dazu führen, dass die Nichtleistung nur für solche Mieter eine vernünftige Option ist, denen aufgrund der Covid-19-Pandemie Zahlungsunfähigkeit droht, weil existenzsichernde staatliche Zuwendungen nicht rechtzeitig zu erlangen sind. Hingenommen hat der Gesetzgeber, dass der Ausschluss des Kündigungsrechts Mietern die Gelegenheit zu einer risikoärmeren Mietminderung gibt.  

Der Mieter riskiert für den Fall einer rechtswidrigen Mietminderung lediglich, beim Vermieter ein teures Darlehen aufgenommen zu haben, nicht aber die Kündigung des Mietvertrages. Dies gilt allerdings nur für Mängel der Mietsache, die auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruhen. Mindert der Mieter zu Unrecht wegen anderer Mängel, so greift der Kündigungsausschluss nach Art. 5 § 2 Abs. 1 des Covid-19-Gesetzes nicht ein.

Keine Klarstellung zur Störung der Geschäftsgrundlage und Mangelhaftung

Offengelassen hat der Gesetzgeber, ob die Maßnahmen, die die Länder durch die „Corona“-Rechtsverordnungen oder Allgemeinverfügungen, insbesondere die angeordneten Schließungen von Einzelhandels- und Gastronomiebetrieben, zu einer Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages oder einer Mangelhaftung des Vermieters und demzufolge zu einer – zeitlich befristeten – Anpassung des Mietzinses führen. Hierin dürfte aus Sicht der Immobilienwirtschaft die größte Schwäche des Covid-19-Gesetzes liegen. 

Nach hier vertretener Rechtsauffassung stellen die Maßnahmen des Infektionsschutzes weder einen Mangel der Mietsache i. S. d. § 536 BGB noch eine Störung der Geschäftsgrundlage i. S. d. § 313 BGB dar. Einen Mangel der Mietsache stellen Maßnahmen des Infektionsschutzes nicht dar, weil sie sich nicht auf die Mietsache als solche, sondern auf die Eröffnung und Unterhaltung eines Publikumsverkehrs durch Betriebe beziehen. Mit Blick auf eine Störung der Geschäftsgrundlage der Mietverträge gem. § 313 BGB ist zwar zu konzedieren, dass die Vertragsparteien beim Abschluss von Mietverträgen sicherlich nicht davon ausgingen, dass jemals Maßnahmen, wie durch die Corona-Rechtsverordnung angeordnet, getroffen werden, doch reicht dies nicht aus, um das Ausbleiben solcher Maßnahmen als Geschäftsgrundlage von Mietverträgen zu qualifizieren. Hinzukommen muss, dass die Parteien den Mietvertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie den Erlass derartiger Rechtsverordnungen vorhergesehen hätten. Hiervon ist auf der Grundlage der derzeit „marktüblichen“ Gewerberaummietverträge nicht auszugehen, weil der Vermieter dort nicht das Verwendungsrisiko des Mieters übernimmt. Im Gegenteil: Meist wird in Gewerberaummietverträgen vereinbart, dass der Mieter betriebsbezogene behördliche Anordnungen auf eigene Kosten zu erfüllen hat. Angesichts der Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung zu den sogenannten Umwelt- oder Umgebungsmängeln i. S. d. § 536 BGB und des Umstandes, dass die Anwendung des § 313 BGB von der Annahme eines bestimmten hypothetischen Parteiwillens abhängt, dessen Inhalt faktisch in starkem Maße von dem Billigkeitsgefühl der zur Entscheidung berufenen Richter geprägt wird, lässt sich nicht prognostizieren, wie die Gerichte die „Corona-Fälle“ entscheiden werden.

Hat der Gesetzgeber sein Ziel erreicht?

Die Entscheidung, einerseits das Kündigungsrecht des Vermieters gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BGB befristet auszuschließen, andererseits aber dem Mieter kein Leistungsverweigerungsrecht einzuräumen, lässt zwar den Willen des Gesetzgebers erkennen, zwischen dem Interesse des Mieters an einem Bestandsschutz für Mietverträge während der Covid-19-Pandemie auf der einen Seite und dem Interesse des Vermieters an einer Sicherung seiner Liquidität auf der anderen Seite einen gerechten Ausgleich zu schaffen, doch reicht die gesetzliche Verpflichtung des Mieters, bei Nichtleistung des Mietzinses einen hohen Verzugszins bezahlen zu müssen, hierfür nicht aus. Die Unsicherheit darüber, ob Maßnahmen des Infektionsschutzes, insbesondere Betriebsschließungen, Umweltmängel i. S. d. § 536 BGB sind oder zu einer Störung der Geschäftsgrundlage von gewerblichen Mietverträgen führen, zwingt Vermieter gewerblicher Räume nicht nur, jenen Mietern ein zwar hoch verzinstes, aber doch die Liquidität beeinträchtigendes Darlehen zu gewähren, die wegen der Covid-19-Pandemie in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, sondern auch jenen Mietern, die trotz der Covid-19-Pandemie zahlungsfähig sind, aber das Risiko einen hohen Verzugszins bezahlen zu müssen, eingehen, um die Chance zu wahren, ganz oder teilweise von der Mietzinszahlung befreit zu werden, weil ihr Geschäftsbetrieb aufgrund der Covid-19-Pandemie beeinträchtigt wurde. Für Vermieter, die Verbraucher i. S. d. § 13 BGB sind, wird die Situation dadurch entschärft, dass das Covid-19-Gesetz für die Dauer des „Ausnahmezustandes“ die Stundung von Verbraucherdarlehen anordnet und deren Kündigung ausschließt. Nicht erfasst von diesem Moratorium und Kündigungsausschluss werden allerdings gewerbliche Immobilienfinanzierungen. 

Festzuhalten ist deshalb: Bessert der Gesetzgeber das Covid-19-Gesetz nicht nach, indem er klarstellt, dass Maßnahmen des Infektionsschutzes, also insbesondere die Corona-Rechtsverordnungen, nicht zu einer Minderung der Miete berechtigen, dass also der Ausgleich von Vermögensopfern im Zusammenhang mit Maßnahmen des Infektionsschutzes zwischen dem Mieter als Betriebsinhaber und dem Staat erfolgt und nicht zwischen Mieter und Vermieter, wird das Ziel, den Bestand von Mietverträgen während der Covid-19-Pandemie zu sichern, ohne die Liquidität der gewerblichen Vermieter unzumutbar zu belasten, verfehlt.


Beitragsnummer: 6473

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