Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner
Nachdem die ersten beiden tschechischen Instanzgerichte entschieden hatten, dass ein privater Anleger, welcher hochprofessionell, mit großen Summen sowie in ganz erheblichem Umfang am Kapitalmarkt dauerhaft tätig ist, nicht mehr als Verbraucher angesehen werden kann, der Oberste Gerichtshof der Tschechischen Republik an dieser Auslegung Zweifel und demgemäß die Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hatte, musste sich dieser mit der vorgelegten Frage auseinandersetzen.
SEMINARTIPP
20. Bankrechts-Tag, 22.10.2020, Frankfurt/M.
In seinem Urt. v. 03.10.2019, Az. Rs C-208/18 (vgl. hierzu Anmerkung Thorsten Vogl, EWiR 6/2020 S. 189), hält der Europäische Gerichtshof fest, dass bei der Prüfung der Verbrauchereigenschaft Faktoren wie der Wert der getätigten Transaktionen, der Umfang der mit dem Abschluss solcher Verträge verbundenen Risiken finanzieller Verluste, etwaige Kenntnisse und Erfahrungen des Anlegers auf dem Gebiet von Finanzinstrumenten oder dessen aktives Handeln im Rahmen solcher Transaktionen sowie der Umstand, dass Finanzinstrumente nicht unter Art. 6 VO(EG) Nr. 593/2008 fallen oder dass diese Person ein „Kleinanleger“ i. S. v. Art. 4 Abs. 1 NR. 12 RL 2004/39/EG ist, irrelevant seien (Rn. 37). Der Verbraucherbegriff habe nämlich einen objektiven Charakter und sei (allein) in Abgrenzung zum Unternehmerbegriff zu definieren, sodass subjektive Elemente bei der Bestimmung der Verbrauchereigenschaft nicht relevant seien (Rn. 55).
PRAXISTIPP
So sehr wertende Gesichtspunkte dafür sprechen, denjenigen Kapitalanleger, welcher zur Erzielung von Gewinnen mit großen Summen sowie in erheblichem Umfang und dauerhaft auf dem Kapitalmarkt hochprofessionell risikobehaftete Geschäfte tätigt, nicht mehr als Verbraucher anzusehen (vgl. hierzu Edelmann, in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl. 2020, § 2, S. 60 ff.), so sehr sprechen die derzeitigen nationalen und europäischen Regelungen dafür, jeglichen Kapitalanleger dann als Verbraucher anzusehen, wenn dieser das Kapitalanlagegeschäft zu einem Zweck abschließt, der privat ist und weder einer gewerblichen noch einer (selbständigen) beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Damit müssen auch solche Kapitalanleger nach wie vor als Verbraucher gelten, die dauerhaft und hochprofessionell hohe Summen am Kapitalmarkt in hochriskante Geschäfte investieren.
Beitragsnummer: 6775