Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner
Ohne auf die Frage einzugehen, ob die Grundsätze über den Anscheinsbeweis auch im Online-Banking-Bereich bei der Frage der Autorisierung in Zweifelsfällen herangezogen werden können, was der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 26.01.2016 (Az. XI ZR 91/14, mit Anm. Schultheiß, WuB 2016 S. 453) im Grundsatz bejaht hat, stellt das Landgericht Köln in seiner Entscheidung vom 10.09.2019, Az. 21 O 116/19 (vgl. hierzu Schmitt-Lampe, WuB 2020 S. 115) wohl aufgrund der Eindeutigkeit der Sachlage fest, dass es sich bei den streitgegenständlichen Überweisungen um nicht autorisierte Vorgänge i. S. v. § 675u, § 675j, § 675w BGB handelt, weswegen dem betroffenen Kunden grundsätzlich ein Anspruch auf Gutschrift des belasteten Betrages nach § 675u BGB zugestanden hätte.
SEMINARTIPP
Praxisprobleme in Kontoführung & Zahlungsverkehr, 29.10.2020, Würzburg.
Ohne wiederum darauf einzugehen, dass der Bundesgerichtshof in seiner vorstehend erwähnten Entscheidung vom 26.01.2016 bei missbräuchlicher Verwendung von PIN und TAN im Online-Banking-Bereich die Anwendung der Grundsätze über den Anscheinsbeweis für die Feststellung einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung abgelehnt hat, gelangt das Landgericht Köln zum Ergebnis, dass der betroffene Kunde offenkundig grob fahrlässig gehandelt hat, weil er der telefonischen Aufforderung eines angeblichen Mitarbeiters seiner Bank Folge geleistet hat, ihm eine TAN zu schicken, um das bisherige Kennwort und die bisherige PIN zu ändern. Dies ungeachtet der Tatsache, dass dem betroffenen Kunden seitens der Bank die Pflicht auferlegt wurde, dafür Sorge zu tragen, dass keine andere Person Kenntnis von PIN und TAN erlangt.
Schließlich verneint das Landgericht Köln die Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Bank, da der Kunde selbst die schadensauslösende Handlung vorgenommen hat, indem er dem Täter den Zugriff auf die mobil-TAN ermöglichte.
PRAXISTIPP
Einmal mehr zeigt sich, dass Kunden im SMS-TAN-Online-Banking-Verfahren ihre Pflichten trotz ausdrücklicher Warnungen durch die Kreditinstitute missachten, wodurch ihnen der Anspruch auf Gutschrift des nichtautorisierten Betrages nach § 675u BGB aufgrund eines diesem Anspruch entgegenstehenden Schadensersatzanspruchs der Bank nach § 675v BGB wegen grober Fahrlässigkeit verloren geht. Nachdem es sich bei dem SMS-TAN-Verfahren um ein Verfahren mit starker Kundenautentifizierung handelt, kann sich der Kunde bei einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung auch nicht auf die neue Norm des § 675v Abs. 4 BGB berufen, wonach der Zahlungsdienstleister nicht zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn der Zahlungsdienstleister des Zahlers eine starke Kundenautentifizierung i. S. v. § 1 Abs. 24 ZAG nicht verlangt oder verwendet.
Beitragsnummer: 6776