Mittwoch, 24. Juni 2020

Kein Widerrufsrecht bei Zinsprolongationsvereinbarungen

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

 

Entgegen der von der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vertretenen Auffassung (vgl. hierzu umfassend Hölldampf, BTS Bankrecht 2020 S. 56 ff.) sowie entgegen der vom LG Kiel als Vorlagegericht vertretenen Auffassung gelangt der EuGH in seinem Urt. v. 18.06.2020, Az. C-639/19, zum Ergebnis, dass eine Änderungsvereinbarung zu einem Darlehensvertrag nicht unter den Begriff „Finanzdienstleistungen betreffender Vertrag“ i. S. d. Fernabsatz-Richtlinie 2002/65/EG fällt, wenn durch diese (Prolongations-)Vereinbarung lediglich der ursprünglich vereinbarte Zinssatz geändert wird, ohne die Laufzeit des Darlehens zu verlängern oder dessen Höhe zu ändern, und die ursprünglichen Bestimmungen des Darlehensvertrages den Abschluss einer solchen Änderungsvereinbarung oder – für den Fall, dass eine solche nicht zustande kommen würde – die Anwendung eines variablen Zinssatzes vorsahen (Rn. 34). Maßgeblich für den EuGH war in diesem Zusammenhang zum einen, dass auch seiner Auffassung nach, ein charakteristisches Merkmal für den Abschluss des Kreditvertrages die Gewährung eines Darlehns ist (Rn. 27), was mit der Auffassung des BGH übereinstimmt, wonach von einem Verbraucherdarlehensvertrag nur dann gesprochen werden kann, wenn bei Vertragsabschluss ein neues Kapitalnutzungsrecht vereinbart wird, was bei Zinsprolongationsvereinbarungen grundsätzlich nicht der Fall ist. Zum anderen war für den EuGH maßgeblich, dass die Fernabsatzrichtlinie lediglich „erstmalige“ Dienstleistungsvereinbarungen betrifft und allein die Festlegung eines neuen Zinssatzes durch eine Anschlusszinsvereinbarung keinen Vorgang im Sinne der Richtlinie darstellt (Rn. 28).

 

SEMINARTIPPS

VerbraucherKreditRecht 2020, 22.09.2020, Frankfurt/M.

Aktuelle Rechtsfragen rund um die Baufinanzierung, 23.11.2020, Frankfurt/M.

 

PRAXISTIPP

 

Mit vorstehender EuGH-Entscheidung dürfte ein für alle Mal feststehen, dass eine Prolongations-Vereinbarung entsprechend der Rechtsprechung des BGH mangels Einräumung eines neuen Kapitalnutzungsrechts weder nach Verbraucherdarlehensrecht widerrufbar ist noch nach Fernabsatz, letzteres wiederum deswegen nicht, weil in der Zinsprolongationsvereinbarung kein „Finanzdienstleistungen betreffender Vertrag“ im Sinne der Fernabsatzrichtlinie zu sehen ist.


Beitragsnummer: 9169

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