Montag, 19. Oktober 2020

Geldwäscheverdacht als Kündigungsgrund bei Darlehensverträgen

Dr. Tilman Schultheiß, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

Das Thüringer OLG hat in einer aktuellen Entscheidung – soweit ersichtlich als erstes OLG – zu der praktisch immer wieder relevanten Frage Stellung genommen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Geldwäscheverdacht als außerordentlicher Kündigungsgrund gem. Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen bzw. § 314 BGB für Darlehensverträge herangezogen werden kann (Urt. v. 29.09.2020 – 5 U 165/19). Im Ergebnis hat das Thüringer OLG ein außerordentliches Kündigungsrecht der Bank in dem Fall bejaht, dass angesichts einer Vielzahl außergewöhnlicher Umstände ein Geldwäscheverdacht bestand, welcher die betroffene Bank auch zu einer GwG-Verdachtsmeldung veranlasst hat. 

Praxistipp:

Es steht zwar seit jeher außer Frage, dass ein bloßer Geldwäscheverdacht einen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden kann (s. Schmalenbach, in: BeckOK, § 675h Rn. 12; Habersack, in: MünchKomm-BGB, § 499 Rn. 10; Bunte, in: Bunte, AGB Banken, Nr. 19 Rn. 422; ders., in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 24 Rn. 42). Dies ergibt sich insbesondere auch aus der Verbraucherkreditrichtlinie (2008/48/EG), da Erwägungsgrund 33 ausdrücklich vorsieht, dass bei einem Verdacht auf missbräuchliche Verwendung (z. B. im Zusammenhang mit Geldwäsche) ein außerordentliches Kündigungsrecht des Darlehensgebers besteht. Allerdings ist damit noch nicht die Frage beantwortet, wann ein solcher zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Geldwäscheverdacht vorliegt, d. h. welche Intensität und welchen Grad an Gewissheit ein solcher Verdacht aufgrund der konkreten Tatsachen im Einzelfall aufweisen muss. Denn klar ist bei alldem auch, dass ein nicht näher begründeter Geldwäscheverdacht nicht als klandestiner „Kündigungsjoker“ herhalten kann, sondern dass (jedenfalls im Rahmen nachgeschobener Kündigungsgründe) ein Mindestmaß an Tatsachen vorgetragen werden muss. 

 

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Die Gemengelage zwischen zivilrechtlichen und aufsichtsrechtlichen normativen Vorgaben (BGB/AGB und GwG) und einer zugleich ausgesprochen restriktiven Rechtsprechung zu den Pflichten des Geldwäschebeauftragten (s. insbesondere OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 10.04.2018 – Ss-OWI 1059/17), bringt Kreditinstitute in einen prekären Zwiespalt: Die stetig erweiterten gesetzgeberischen Vorgaben u. a. an das Verdachtsmeldewesen können natürlich nicht ohne Auswirkung auf den zivilrechtlichen Umgang mit entsprechenden Vertragsverhältnissen bleiben. Allerdings war bislang vollkommen unklar, wie diese Wechselwirkung von der Rechtsprechung ausgedeutet wird. Das vielfach zu Recht kritisierte, mittlerweile völlig ausufernde Verdachtsmeldewesen des GwG wäre angesichts der hohen Quote an Verfahrenseinstellungen jedenfalls ein noch fragwürdigeres Instrument der Geldwäschebekämpfung, wenn Kreditinstitute an entsprechende Verdachtsmomente nicht auch adäquate Reaktionen (Kündigungen) in bestehenden Vertragsverhältnissen knüpfen dürften, ohne fürchten zu müssen, sich hier gegenüber dem betroffenen Kunden ersatzpflichtig zu machen, wenn sich ein Verdacht hinterher als unbegründet erweist. Hier schafft das Thüringer OLG eine lange herbeigesehnte Synchronisierung der aufsichtsrechtlichen Verdachtsmeldepflichten nach § 43 GwG (§ 11 GwG a. F.) und der zivilrechtlichen Kündigungsmöglichkeiten gem. Nr. 26 Abs. 2 AGB-Sparkassen bzw. § 314 BGB. Wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, welche einem typischen Geldwäschemuster entsprechen, so ist nicht nur eine Verdachtsmeldung nach dem GwG geboten, sondern nach Abwägung im Einzelfall auch eine Kündigung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund zulässig. Es kommt – wie im GwG – weder darauf an, dass etwa der Verdacht den Grad der Gewissheit des § 170 Abs. 1 StPO erreicht (die Bank ist keine Ermittlungsbehörde, was das OLG Frankfurt a. M. in der oben zitierten Entscheidung der Bank letztlich zum Vorwurf gemacht hat) noch ist es entscheidend, was die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft letztlich ergeben (Einstellung oder Anklageerhebung) – maßgeblich ist eine ex-ante-Betrachtung. 


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Bemerkenswert ist hierbei, dass das Thüringer OLG in der Entscheidung auch herausstellt, dass sich der Geldwäscheverdacht nicht unmittelbar gegen den Vertragspartner richten muss, sondern auch mittelbar mit diesem zusammenhängen kann. Nur dieses Verständnis entspricht auch der zweckentsprechenden Auslegung der gesetzlichen Vorgaben.  

Das Urteil des Thüringer OLG konturiert den Tatbestand des Geldwäscheverdachts als Kündigungsgrund und trägt damit erheblich zur Rechtssicherheit bei. Ein Geldwäscheverdacht wird sich in aller Regel nur aus einer Zusammenschau von Indizien ergeben – das Klischee des Geldkoffers mit Geldscheinen ungeklärter Herkunft wird kaum jemals praktisch vorkommen. Ungewöhnliche Umstände können z. B. sein: ständiger Wechsel von Eigentümern einer Immobilie in einem ähnlichen Personenkreis; nicht erklärbare Wertschwankungen; nicht wirtschaftlich nachvollziehbare Eigentumsaufteilung; undurchsichtige Vertragsverhältnisse im Hintergrund; undurchsichtige Firmengeflechte. Freilich muss nach wie vor der Einzelfall betrachtet und insbesondere sorgfältig abgewogen werden; so spielte es im vorliegenden Fall bei der Abwägung neben der Vielzahl an außergewöhnlichen Umständen sicherlich eine entscheidende Rolle, dass es niemals zu einer Valutierung des Darlehens kam und die Rechtsposition des Darlehensnehmers deshalb noch als weniger schutzwürdig gelten konnte. Dies bedeutet allerdings nicht, dass ein Geldwäscheverdacht nicht auch im Falle der bereits vollzogenen Valutierung einen wichtigen Kündigungsgrund bilden könnte. Die Entscheidung ist sachlich zudem nicht beschränkt auf Darlehensverträge, sondern die Erwägungen lassen sich auf sämtliche Rechtsbeziehungen zwischen Bank und Kunde übertragen, wobei natürlich auch hier eine Entscheidung und Abwägung im Einzelfall maßgeblich bleibt. 


Beitragsnummer: 12945

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