Donnerstag, 18. Februar 2021

Haftung des Zahlers bei gefälschter Faxanweisung

Haftung des Zahlers bei Ausführung eines Zahlungsvorgangs aufgrund gefälschter Faxanweisungen.

Andrea NeuhofRechtsanwältin und Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

Im Rahmen seines Urteils vom 17.11.2020, Az. XI ZR 294/19, (WM 2021, 174 m. Anm. von Westphalen BB 2021, 276) hatte sich der BGH mit Fragen betreffend die Haftung des Zahlers im Falle der Ausführung eines Zahlungsvorgangs aufgrund gefälschter Faxanweisungen zu befassen. Die klagende Bankkundin und das beklagte Kreditinstitut stritten darüber, ob die Beklagte nach Ausführung zweier Belastungsbuchungen auf einem Girokonto der Klägerin dieser eine (teilweise) Wiedergutzuschrift zu erteilen habe. Die klagende GmbH unterhielt bei der Beklagten ein Girokonto als Gehaltskonto. Für Lohn- und Gehaltszahlungen an ihre Mitarbeiter nutzte die Klägerin auch Faxanweisungen zum Zwecke der Autorisierung von Zahlungsanweisungen. Im Juni 2010 gab die Klägerin eine von der Beklagten vorformulierte "Haftungsfreistellungserklärung für Faxanweisungen" (im Folgenden kurz "Haftungsfreistellungserklärung") ab, die von ihrem Geschäftsführer und der Leiterin ihrer Finanzbuchhaltung (im Folgenden kurz "Finanzbuchhalterin") im Original unterzeichnet war. Diese sah unter Nr. 1 Buchst. b vor, dass Faxanweisungen zur Autorisierung eines Zahlungsvorgangs im Wege der Einwilligung von "zwei Unterschriftsbevollmächtigten […] unterzeichnet" sein mussten. Unterschriftsbevollmächtigte waren im Dezember 2015 der Geschäftsführer der Klägerin und die Finanzbuchhalterin, die nur mit einem zweiten Kontobevollmächtigten Verfügungen über das Gehaltskonto treffen durfte.

 

Im Dezember 2015 führte die Beklagte zwei Zahlungsvorgänge auf der Grundlage zweier Faxanweisungen aus, welche die Originalunterschrift der Finanzbuchhalterin und den elektronisch erzeugten Namenszug des Geschäftsführers der Klägerin trugen. Nach dem Vortrag der Klägerin war die Finanzbuchhalterin durch Täuschung dazu gebracht worden, die von ihr elektronisch an einen vermeintlich Berechtigten übermittelten und um den Namenszug des Geschäftsführers der Klägerin ergänzt an sie zurückgesandten Faxanweisungen auszudrucken, selbst handschriftlich zu unterschreiben und per Telefax an die Beklagte zu übersenden. Die Finanzbuchhalterin, der von einem Mitarbeiter der Beklagten nahegelegt wurde, anstelle von Faxanweisungen Überweisungsaufträge mittels des Electronic-Banking-Verfahrens zu erteilen, bestand auf der Ausführung der Faxanweisungen, die sie jeweils telefonisch bestätigte. Die Beklagte belastete das Gehaltskonto der Klägerin daraufhin entsprechend zugunsten eines in den Faxanweisungen genannten Kontos bei einer Bank in Hongkong. Die Klägerin widersprach diesen Belastungsbuchungen. Versuche der Beklagten, die Buchungen beim Zahlungsempfänger rückgängig zu machen, scheiterten. Die auf Wiedergutschrift der überwiesenen Beträge auf dem Gehaltskonto gerichtete Klage scheiterte im Ergebnis in allen drei Instanzen.

 

BUCHTIPP

Ellenberger/Findeisen/Nobbe/Böger (Hrsg.): Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht 3. Aufl. 2020.

 

Zur Begründung führte der BGH aus, der Klagevortrag habe zunächst einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 675u S. 1, 2 HS 2 BGB ergeben. Denn den vorliegenden Belastungsbuchungen hätten nicht autorisierte Zahlungsvorgänge zugrunde gelegen, welche die Klägerin nach § 676b Abs. 2 Satz 1 BGB rechtzeitig angezeigt habe. Dabei könne die Erklärung eines nicht vertretungsberechtigten Dritten dem Zahler nicht nach Rechtsscheingrundsätzen zugerechnet werden, weil die Regelungen in § 675j Abs. 1, § 675u Satz 1 BGB abschließend seien. 

 

Auf Grundlage der vorliegenden Haftungsfreistellungserklärung habe eine Faxanweisung, um einen Zahlungsvorgang im Wege der Einwilligung zu autorisieren, von "zwei Unterschriftsbevollmächtigten […] unterzeichnet" sein müssen. Diese Klausel sei so auszulegen, dass das per Telefax übermittelte und bei der Klägerin verbleibende Original der Anweisung von den Unterschriftsbevollmächtigten handschriftlich unterschrieben sein musste. Die Kombination einer handschriftlichen Unterschrift mit einer eingescannten Unterschrift wie vorliegend genüge nicht. Der neben der eigenen, handschriftlich gesetzten Unterschrift der Finanzbuchhalterin aufgedruckte, elektronisch reproduzierte und von einem Dritten erstellte Namenszug des Geschäftsführers der Klägerin sei insoweit „doppelt schädlich“. Die handschriftliche Originalunterschrift der Leiterin der Finanzbuchhaltung reichte für eine Autorisierung nicht aus, weil die Finanzbuchhalterin nur zusammen mit dem Geschäftsführer der Klägerin zu einer Einwilligung bevollmächtigt war. Die telefonische „Bestätigung" der Zahlungsanweisung durch die Finanzbuchhalterin genüge diesen Anforderungen ebenfalls nicht.

 

SEMINARTIPP

Aktuelle Praxisprobleme in Kontoführung & Zahlungsverkehr, 04.11.2021, Zoom.

 

Die Klägerin müsse sich auch nicht so behandeln lassen, als habe sie die Zahlungsvorgänge autorisiert, weil die Beklagte anhand der Telefaxe die Mängel der "Unterschrift" des Geschäftsführers der Klägerin nicht erkennen konnte. Denn eine Ermächtigung zur Ausführung von Faxanweisungen habe nach Auslegung der Haftungsfreistellungserklärung nur insoweit bestehen sollen, als die Faxanweisung tatsächlich den Anforderungen der Nr. 1 Buchst. b entsprach. Die Beklagte sei gemäß Ziffer 3 der Haftungsfreistellungserklärung zur Ausführung der Faxanweisung nur ermächtigt gewesen, wenn die Faxanweisung von ihr "gemäß den in Ziffer 1 dieser Erklärung enthaltenen Bestimmungen empfangen" worden sei. Dies wiederum setzte voraus, dass die zur Versendung bestimmte Faxanweisung nicht nur mit einem elektronisch erzeugten Schriftbild, sondern mit den handschriftlichen Originalunterschriften zweier Unterschriftsbevollmächtigter der Klägerin versehen war, was vorliegend nicht der Fall war. 

 

Die Beklagte habe das Fälschungsrisiko nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam auf die Klägerin abwälzen können. Zwar hätten nach § 675e Abs. 4 BGB in der bis zum 12.01.2018 geltenden Fassung ("aF") im unternehmerischen Verkehr Abweichungen von den §§ 675v, 675w BGB aF vereinbart werden können. Eine Klausel, die eine Zustimmung auch für den Fall fingiere, dass die Erklärung nicht vom Zahler stamme, habe aber gegen den unabdingbaren § 675j Abs. 1 Satz 1 BGB verstoßen, gemäß dessen ein Zahlungsvorgang gegenüber dem Zahler nur wirksam sei, wenn ihn dieser autorisiert habe. Eine § 675j Abs. 1 Satz 1 BGB widerstreitende Klausel sei auch im unternehmerischen Verkehr ohne Wertungsmöglichkeit unwirksam, §§ 134, 307 Abs. 1 und 2 BGB. 

 

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte sei auch nicht gemäß § 676c Nr. 1 BGB ausgeschlossen, da die Fälschung von Zahlungsanweisungen für ein Kreditinstitut grundsätzlich kein ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis darstelle. 

 

Die Klägerin müsse sich zudem nicht nach § 242 BGB entgegenhalten lassen, die Beklagte könne gemäß § 280 Abs. 1, § 278 BGB in Verbindung mit dem Girovertrag im Wege des Schadensersatzes von der Klägerin Duldung einer Rückbelastung des Gehaltskontos verlangen. Eine diesbezügliche in der Haftungsfreistellungserklärung enthaltene Regelung sei unwirksam, da diese eine verschuldensunabhängige Haftung der Klägerin bei Vorliegen allein einer Pflichtverletzung vorsehe und überdies die Beweislast für das Vorliegen eines kausalen Schadens der Beklagten auch dann auf die Klägerin verlagere, wenn die kausalitätsbegründenden Umstände im Verantwortungsbereich der Beklagten lägen. Zudem habe diese Klausel eine auch im unternehmerischen Verkehr unzulässige Abweichung von § 675u Satz 1 und 2 BGB enthalten, da sie so zu verstehen gewesen sei, dass die Beklagte nur unter bestimmten eingeschränkten Umständen im Falle der Ausführung eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs "haftbar" sein solle. 

 

Ein Anspruch der Beklagten auf Duldung der Rückbelastung könne auch nicht aus § 280 Abs. 1, § 278 BGB in Verbindung mit dem Girovertrag folgen, da die Haftung des Zahlers in § 675v Abs. 2 BGB aF abschließend geregelt sei. Eine Herabsetzung der Haftung erlaubte die Richtlinie 2007/64/EG gemäß ihren Art. 61 Abs. 3, Art. 86 Abs. 1 nur zugunsten des Zahlers (vgl. auch BT-Drucks. 16/11643, S. 170). § 675v Abs. 2 BGB aF sei gemäß diesen unionsrechtlichen Vorgaben dahin auszulegen, dass die Vorschrift auch auf eine Autorisierung durch Faxanweisung Anwendung finde und in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht die Haftung des Zahlungsdienstnutzers insoweit abschließend regele. 

 

Allerdings ergäben die Feststellungen des Berufungsgerichts vorliegend einen Anspruch der Beklagten aus § 675v Abs. 2 BGB aF, den sie der Klägerin gemäß § 242 BGB entgegenhalten könne. Die Finanzbuchhalterin der Klägerin habe als deren Erfüllungsgehilfin nach § 278 BGB eine Bedingung für die Nutzung des Verfahrens der Zahlungsanweisungen per Fax verletzt. Denn die Vereinbarung, wonach die Faxanweisung der Beklagten von der Finanzbuchhalterin nur übermittelt werden durfte, soweit sie tatsächlich vom Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnet war, habe die Finanzbuchhalterin nicht nur grob fahrlässig, sondern sogar vorsätzlich verletzt, da sie wissentlich und willentlich der Beklagten Faxanweisungen übermittelt habe, die nicht eine zuvor handschriftlich auf die Faxanweisung gesetzte Unterschrift des Geschäftsführers trugen, sondern mit elektronisch übersandten und mittels Ausdrucks reproduzierten "Unterschriften" des Geschäftsführers versehen waren. Damit sei sie bewusst von den zwischen den Parteien zum Zwecke des Ausschlusses des Fälschungsrisikos in Nr. 1 Buchst. b der Haftungsfreistellungserklärung vereinbarten Bedingungen abgewichen. 

 

Der Schaden der Beklagten liege in ihrer Belastung mit der aus § 675u Satz 2 BGB resultierenden Verpflichtung. Eine Minderung des Anspruchs der Beklagten nach § 254 Abs. 1 BGB habe das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Die Würdigung, die Beklagte sei zu weiteren Nachforschungen nicht verpflichtet gewesen, da die Finanzbuchhalterin auf den Faxanweisungen bestanden und die Anweisungen vor ihrer Ausführung jeweils nochmals telefonisch bestätigt habe, begegne keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Lägen die Voraussetzungen vor, unter denen der Zahler seinem Zahlungsdienstleister nach § 675v Abs. 2 BGB aF zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet sei, könne aus der gesetzlichen Risikozuweisung für das Vorhandensein einer Autorisierung kein anspruchsmindernder Umstand hergeleitet werden. 

 

PRAXISTIPP:

 

Vorliegend konnte die Bank der Kundin zwar einen eigenen Schadenersatzanspruch nach § 675v Abs. 2 BGB aF (~ im Erg. § 675v Abs. 3 BGB i. d. aktuellen Fassung) entgegenhalten und war demgemäß auch nicht zur Wiedergutschrift der streitgegenständlichen Beträge zu verurteilen. Grundsätzlich wäre jedoch ein Anspruch der Kundin auf Wiedergutschrift aufgrund fehlender Autorisierung nach § 675u BGB durchaus gegeben gewesen. Die Bank ist in derartigen Fällen darauf angewiesen, dass der Kundin nicht nur ein tatbestandsmäßig schuldhaftes Fehlverhalten vorzuwerfen ist, sondern dieses darüber hinaus auch noch – soweit nicht wie vorliegend unstreitig – im erforderlichen Umfang dargelegt und bewiesen werden kann. Erforderlich wäre insoweit, dass der Kunde in betrügerischer Absicht gehandelt oder den Schaden durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung entweder einer oder mehrerer Pflichten gemäß § 675l Absatz 1 oder einer oder mehrerer vereinbarter Bedingungen für die Ausgabe und Nutzung des Zahlungsinstruments herbeigeführt hat. In der Praxis hängen die Trauben für einen derartigen Nachweis in aller Regel durchaus hoch. Die Entgegennahme von Überweisungsaufträgen per Telefax ist somit auch und insbesondere aus Bankensicht keineswegs ohne Risiko (vgl. zur Haftungsverteilung bei gefälschten Faxüberweisungen vgl. LG Düsseldorf, Urteil v. 26.10.2018, Az. 6 O 72/17, BKR 2019, 154 ff. sowie LG Karlsruhe, Urteil v. 05.07.2018, Az. 15 O 50/17, BKR 2019, 151 jeweils m. Anm. Edelmann, BTS 2019, 41 ff.; LG Heilbronn, Urteil v. 20.10.2015, Az. Bm 6 O 128/15, BeckRS 2015, 17463 m. Anm. Schnauder, juris PR-BKR 1/2016 Anm. 4 und Edelmann, BTS 2017, 18 ff.; vgl. auch Zahrte, BKR 2019, 126 ff.).

 


Beitragsnummer: 17073

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