Donnerstag, 18. Februar 2021

Haftung bei gefälschtem Überweisungsträger

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

In seiner Entscheidung vom 17.11.2020, Az. 3 U 122/20 (ZIP 2021, 242), weist das OLG Celle zunächst darauf hin, dass der Anspruch aus § 675 u Satz 2 BGB bei der Belastung eines Zahlungskontos zwar grundsätzlich auf Wertstellung in Höhe der nicht autorisierten Zahlung gerichtet ist. Zugleich weist das OLG Celle aber auch darauf hin, dass der Zahler nicht nur dann einen Anspruch auf Auszahlung des zu Unrecht belasteten Betrages habe, wenn die Kontobeziehung inzwischen unter Ausgleich des Saldos aufgelöst worden ist, sondern auch dann, wenn das Konto ohne die Rückbuchung einen Habensaldo aufweist bzw. eine nicht ausgeschöpfte Kreditlinie besteht. 

 

Sodann hält das OLG Celle entsprechend der vom Bundesgerichtshof in vorstehend besprochener Entscheidung vom 17.11.2020 aufgestellten Grundsätze (vgl. dort Rn. 20) fest, dass die Fälschung von Zahlungsanweisungen für ein Kreditinstitut grundsätzlich kein ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis im Sinne von § 676 c Nr. 1 BGB darzustellen vermag. Jede andere Sichtweise würde nach Auffassung des OLG Celle die in den §§ 675 u, 675 v BGB vorgesehene gesetzliche Risikoverteilung beim Missbrauch von Zahlungsinstrumenten unterlaufen. 

 

BUCHTIPP

Ellenberger/Findeisen/Nobbe/Böger (Hrsg.): Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht 3. Aufl. 2020.

 

Im Anschluss hieran prüft das OLG Celle, ob dem Zahlungsdienstleister gegenüber dem Zahler ein Schadensersatzanspruch nach § 675 v Abs. 3 Nr. 2 BGB zusteht, den dieser dem Zahler zur Abwehr dessen Anspruch aus § 675 u BGB gemäß § 242 entgegenhalten könnte. Statt jedoch die hierfür maßgebliche Frage zu entscheiden, ob in dem beleghaften Überweisungsauftrag ein Zahlungsinstrument im Sinne von § 675 v BGB gesehen werden kann mit der Folge, dass ein entsprechender Schadensersatzanspruch des Zahlungsdienstleisters nach dieser Norm in Betracht käme, führt das OLG Celle – für ein Gericht konsequent – aus, dass es auf diese Frage deswegen nicht ankomme, weil der Haftungsmaßstab der groben Fahrlässigkeit sowie des Vorsatzes im Sinne von § 675 v Abs. 3 Nr. 2 BGB im konkret zu entscheidenden Fall ohnehin nicht erfüllt sei mit der Konsequenz, dass ein auf diese Norm gestützter Schadensersatzanspruch allein schon deswegen nicht in Betracht käme. In diesem Zusammenhang weist das OLG Celle noch darauf hin, dass eine AGB-Klausel, nach welcher entgegen der Regelung des § 675 u BGB die verschuldensunabhängige Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge eingeschränkt oder modifiziert wird, ungeachtet der bei Nichtverbrauchern nach § 675 e Abs. 4 BGB bestehende Möglichkeit der abweichenden Vereinbarung unwirksam sei (ähnlich auch BGH, Urteil v. 17.11.2020, Az. XI ZR 294/19, Rn. 19 bei einer gegen § 675 j BGB abweichenden Vereinbarung).

 

SEMINARTIPP

Aktuelle Praxisprobleme in Kontoführung & Zahlungsverkehr, 04.11.2021, Zoom.

 

Hieran anschließend prüft das OLG Celle weiter, ob dem Zahlungsdienstleister stattdessen ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des allgemeinen Schadensrechts gemäß § 280 BGB zustehen könnte. In diesem Zusammenhang stellt das OLG Celle fest, dass es in Literatur und Rechtsprechung zwar streitig sei, ob dann, wenn der Anwendungsbereich des § 675 v BGB mangels Vorliegens eines Zahlungsinstruments nicht eröffnet ist, die allgemeinen Regelungen des Schadensrechts nach §§ 280 ff. BGB eingreifen können, er allerdings auch diese Streifrage nicht zu entscheiden brauche. Dies deshalb, weil nach Auffassung des OLG Celle selbst dann, wenn man einen Rückgriff auf § 280 BGB außerhalb des Anwendungsbereichs des § 675 v BGB zulassen wollte, für einen solchen allgemeinen Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB nicht der „normale“ Fahrlässigkeitsmaßstab der einfachen Fahrlässigkeit gelten könnte sondern allein der strenge Haftungsmaßstab des § 675 v Abs. 3 Nr. 2 BGB (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit); dies um entsprechende Wertungswidersprüche zu vermeiden (vgl. hierzu auch Edelmann, BTS 2019, 41 ff. sowie Zarte, BKR 2019, 126 ff.). 

 

PRAXISTIPP:

 

Durch vorstehend besprochene BGH-Entscheidung vom 17.11.2020 dürfte nunmehr klar sein, dass der Haftungsausschlusstatbestand des § 676 c BGB im Zusammenhang mit nicht autorisierten Zahlungen aufgrund gefälschter Zahlungsanweisungen entsprechend der auch vom OLG Celle (so bereits auch OLG Frankfurt, BKR 2017, 526, und LG Düsseldorf, BKR 2019, 154) vertretenen Auffassung nicht greift, weil die Fälschung von Zahlungsanweisungen für ein Kreditinstitut grundsätzlich kein ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis i. S. v. § 676 c BGB darstellt. 

 

Darüber hinaus ist aufgrund vorstehend besprochener Entscheidung des BGH vom 17.11.2020 die vom OLG Celle noch offengelassene Frage dahingehend zu beantworten, dass es sich sowohl bei beleghaften gefälschten Überweisungen als auch bei gefälschten Faxüberweisungen um Zahlungsinstrumente im Sinne des Zahlungsdiensterechts handelt, mit der Folge, dass dem Zahlungsdienstleister auch bei diesen Zahlungsinstrumenten ein Schadensersatzanspruch nach § 675 v BGB zustehen kann. 

 

Ist dem aber so, dann ist die vom OLG Celle ebenfalls offengelassene Frage entsprechend der vom BGH in seiner Entscheidung vom 17.11.2020 vertretenen Auffassung dahingehend zu beantworten, dass § 675 v BGB eine abschließende Haftungsregelung im Zahlungsdiensterecht darstellt, welche den Rückgriff auf die allgemeine Schadensersatzvorschrift des § 280 Abs. 1 BGB ausschließt, was wiederum dazu führt, dass die vom OLG Celle vertretene Auffassung, dass man bei Anwendung des § 280 BGB die verschärften Haftungsvoraussetzungen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit heranziehen muss, bei beleghaften Überweisungen sowie Faxanweisungen ohne praktische Relevanz wäre. Denn dem Zahlungsdienstleister steht bei Faxüberweisungen und beleghaften Überweisungsaufträgen gegenüber dem Anspruch des Zahlers aus § 675 u BGB nur noch der Schadensersatzanspruch nach § 675 v Abs. 3 Nr. 2 BGB zur Verfügung und dies nur dann, wenn der Zahler vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Pflichten gegenüber dem Zahlungsdienstleister verletzt, was immer wieder insbesondere bei gefälschten Faxüberweisungen vorkommt (vgl. hierzu die vorstehend besprochene BGH-Entscheidung vom 17.11.2020 sowie Edelmann, BTS 2017, 18 ff. sowie BTS 2019, 41 ff.). 

 


Beitragsnummer: 17074

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