Donnerstag, 18. Februar 2021

Keine Haftung des Zahlungsauslösedienstleister beim Online-Glücksspiel

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

In einem Fall, in welchem der Kläger, welcher an Online-Glücksspielen teilgenommen hatte, über die Beklagte als Zahlungsauslösedienstleister (nachfolgend ZADL genannt) mehrere Überweisungen an die Online-Glücksspielanbieter veranlasst hatte, begehrte der Kläger vom ZADL die Erstattung der von ihm erbrachten Zahlungen mit der Begründung, dass die Glücksspiele der Online-Casinos, an denen er teilgenommen habe, illegal gewesen seien. 

 

Das OLG München gelangt in seinem Hinweisbeschluss vom 28.02.2020, Az. 8 U 5467/19 (BKR 2020, 601 m. Anm. Beyer, WuB 2020, 379) zum Ergebnis, dass solche Ansprüche des Zahlers gegenüber dem ZADL nicht bestehen. Dabei stellt das OLG München zunächst fest, dass zwischen dem Zahler und dem ZADL ein Einzahlungsvertrag i. S. v. § 675 f Abs. 1 S. 1 BGB zustande komme, nach welchem der ZADL für den Zahler bei dessen kontoführenden Zahlungsdienstleister einen Zahlungsvorgang – z. B. in Form einer Überweisung oder einer Kartenzahlung – auslöst, wobei der ZADL gegenüber dem kontoführenden Zahlungsdienstleister des Zahlers keine eigene Willenserklärung abgibt, sondern lediglich als Bote des Zahlers fungiert. 

 

BUCHTIPP

Ellenberger/Findeisen/Nobbe/Böger (Hrsg.): Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht 3. Aufl. 2020.

 

Hiervon ausgehend führt das OLG München unter Bezugnahme auf BGH, BKR 2004, 418, BKR 2002, 1103 sowie NJW 2008, 2245 aus, dass am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilenehmende Zahlungsdienstleister grundsätzlich keine Prüfungs- oder Warnpflichten treffen, um den Zahler vor illegalen Zahlungsvorgängen zu schützen (Rn. 11). Die Zahlungsdienstleister müssen sich vielmehr streng innerhalb der Grenzen des ihnen erteilten formalen Auftrags halten, weswegen der Zahlungsdienstleister sich auf die formale Prüfung beschränken darf und muss, ob der Auftrag nach seinem äußeren Erscheinungsbild in Ordnung sei (Rn. 11). Insofern sei der Zahlungsdienstleister nur ganz ausnahmsweise verpflichtet, Zahlungsvorgänge zu überprüfen und zu überwachen, wobei eine solche Pflicht nur dann anzunehmen sei, wenn für den Zahlungsdienstleister ohne nähere Prüfung offenkundig sei, dass der Zahler an einem nach deutschem Recht verbotenen Glücksspiel teilnimmt oder wenn der Zahlungsdienstleister aufgrund einer auf massiven Verdachtsmomenten beruhenden Evidenz den Verdacht einer Straftat schöpft (Rn. 11).

 

Von dieser Rechtsprechung ausgehend bezweifelt das OLG München bereits, ob diese von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Bestehen von Prüfungs- und Warnpflichten ohne Weiteres auf einen ZADL übertragbar sind. Dies deshalb, weil der ZADL lediglich als Bote des Zahlungsauslösedienstnutzers dessen Zahlungsauftrag an einen anderen Zahlungsdienstleister in Bezug auf ein bei diesem geführtes Online-Zahlungskonto des Zahlers bzw. Zahlungsdienstauslösenutzers übermittelt, weswegen in diesem Vertragsverhältnis nicht ohne weiteres dieselben Schutz- und Warnpflichten bestünden wie sonst zwischen Zahler und Zahlungsdienstleister (Rn. 13).

 

SEMINARTIPP

Aktuelle Praxisprobleme in Kontoführung & Zahlungsverkehr, 04.11.2021, Zoom.

 

Ungeachtet dessen gelangt das OLG München jedoch zum Ergebnis, dass dem ZADL im konkreten Fall keine Pflicht traf, die streitgegenständlichen Zahlungsvorgänge zu überprüfen oder zu überwachen; dies schon deshalb nicht, da die Rechtsbeziehungen zwischen Online-Glücksspiel-Anbieter als Zahlungsempfänger sowie dem Zahler und damit der rechtliche Anlass für einen Zahlungsvorgang gem. § 675 Abs. 4 S. 1 BGB irrelevant ist. Zudem sei dem ZADL im konkreten Fall nicht offensichtlich oder erkennbar gewesen, dass der Kläger am unerlaubten Glücksspiel teilnimmt (Rn. 14 f.). 

 

Hieran anschließend hält das OLG München fest, dass dem Kläger gegen den ZADL auch keinerlei Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 1. Alternative BGB i. V. m. §§ 134, 138 BGB zustünden. Dies schon deshalb, weil der Zahler keine Leistung an den ZADL erbracht habe, dieser vielmehr über den ZADL, der lediglich als Bote handelte, seiner Bank einen Auftrag zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs an die jeweiligen Zahlungsempfänger gem. § 675 f Abs. 4 S. 2 BGB erteilte. 

 

Hieran anschließend lehnt das OLG mit überzeugender Argumentation auch einen Schadensersatzanspruch gegen den ZADL wegen Beihilfe zum unerlaubten Glücksspiel gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 284, 27 StGB mit der Begründung ab, es fehle für die strafbare Beihilfehandlung bereits an dem hierfür erforderlichen doppelten Gehilfenvorsatz. 

 

Schließlich lehnt das OLG München das Bestehen eines Anspruchs des Zahlers gegenüber dem ZADL nach § 823 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV ab (Rn. 24). Dabei führt das OLG München aus, dass die durch den GlüStV begründeten Verpflichtungen sowie die zur Überwachung ihrer Verpflichtungen bestehenden Aufsichtspflichten ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur seien, weswegen sich diese nicht auf das zivilrechtliche Schuldverhältnis zwischen ZADL und Kunden auswirken (Rn. 25).

 

PRAXISTIPP:

Insgesamt ist es für die Praxis erfreulich festzustellen, dass einem am Online-Glücksspiel teilnehmenden Kunden, welcher Zahlungen an die Glücksspielanbieter veranlasst, weder Ansprüche gegen kreditkartenherausgebende Institute zustehen (vgl. hierzu Neuhof, WuB 2019, 546 ff.), noch gegen Online-Bezahldienste (vgl. hierzu Neuhof, WuB 2020, 333 f.) oder gegenüber dem ZADL zustehen. Dieses Ergebnis ist auch überzeugend und dürfte auch vom BGH gehalten werden. Dies gilt umso mehr, als die Quelle des verursachten Schadens der am Online-Glücksspiel teilnehmende Verbraucher selber ist und kein sachlicher und rechtlicher Grund dafür besteht, dem ZADL, dem kreditkartenherausgebenden Institut oder dem Online-Bezahldienst die allein den Glücksspieler treffende Verantwortung aufzubürden.

 

 


Beitragsnummer: 17075

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