Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner
In seiner Entscheidung vom 17.07.2020, Az. 6 O 5935/19 (ZIP 2021, 685) gelangt das Landgericht Nürnberg-Fürth zum Ergebnis, dass einer Kundin bei einem Phishing–Vorgang auch dann gegenüber ihrem Kreditinstitut ein Ausgleichsanspruch nach § 675 u S. 2 BGB zusteht, wenn sie die Zugangsdaten für das Online-Banking an ihren Ehemann weitergegeben hat.
Zur Begründung führt das Landgericht zunächst aus, dass es dem beweisbelasteten Kreditinstitut nicht gelungen sei, zur Überzeugung des Gerichts gem. § 675 w Abs. 1 S.1 BGB nachzuweisen, dass die streitgegenständlichen Transaktionen nicht durch die Kundin autorisiert worden seien, weswegen ein Ausgleichsanspruch nach § 675 u BGB grundsätzlich bestünde.
SEMINARTIPP
Aktuelle Praxisprobleme in Kontoführung & Zahlungsverkehr, 04.11.2021, Zoom.
Das Vorliegen eines Schadensersatzanspruchs des Kreditinstituts gegen ihre Kundin nach § 675 v Abs. 3 Nr. 2 BGB, welchen das Institut dem Anspruch aus § 675 u BGB hätte entgegenhalten können, lehnt das Landgericht Nürnberg-Fürth hieran anschließend ab. Dabei lässt das Landgericht Nürnberg-Fürth offen, ob die Kundin ihre Pflichten aus § 676 l Abs. 1 S. 1 BGB dadurch verletzt hat, dass sie ein personalisiertes Sicherheitsmerkmal, nämlich die PIN, ihrem Ehemann offenbarte und für die Übermittlung von TANs per SMS nicht ihre eigene, sondern die Mobilnummer ihres Ehemannes angab. Dies deshalb, weil nach Auffassung des Landgerichts Nürnberg-Fürth § 675 l Abs. 1 S. 1 BGB den Zahlungsdienstenutzer lediglich zu solchen Vorkehrungen verpflichtet, die geeignet sind, die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Nachdem im konkreten Fall weder vorgetragen noch ersichtlich war, dass die Gefahr eines Phishing-Angriffs oder eines sonst unbefugten Zugriffs auf das streitgegenständliche Konto durch die Weitergabe der PIN an den Ehemann der Klägerin erhöht worden ist, hat das Landgericht Nürnberg-Fürth den Anwendungsbereich der Norm des § 675 l Abs. 1 S. 1 BGB als nicht eröffnet angesehen.
BUCHTIPP
Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 3. Aufl. 2020.
Als weiteres Argument führt das Landgericht Nürnberg-Fürth darüber hinaus aus, dass sich die mögliche Verletzung der Pflichten aus § 675 l Abs. 1 S. 1 BGB durch die Kundin im konkreten Fall auf den Eintritt des geltend gemachten Schadens nicht ausgewirkt hat, weswegen es auch an dem für einen Schadensersatzanspruch notwendigen Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden fehlen würde. Schließlich lehnt das Landgericht Nürnberg-Fürth den Schadenersatzanspruch des Kreditinstituts auch deswegen ab, weil die Kundin sich zu ihren Gunsten auf den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen könne, da der behauptete Schaden auch bei einem rechtmäßigen Verhalten der Kundin entstanden wäre.
Beitragsnummer: 18160