Dienstag, 20. April 2021

Strafbarkeit bei Girocard-Missbrauch im POS-Verfahren ohne PIN-Eingabe

Sehr eingeschränkte Strafbarkeit bei Girocard-Missbrauch im „Point-of-Sale“-Verfahren ohne PIN-Eingabe.

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

Das OLG Hamm hatte in einem Beschluss vom 07.04.2020, Az. 4 RVs 12/20 (WM 2020, 1674 m. Anm. Ladiges, WuB 2020, 601) über die Strafbarkeit eines Girocard-Nutzers zu entscheiden, der eine verlorene Geldbörse auf der Straße gefunden und die darin enthaltene Girocard zum Erwerb von Waren im Gegenwert von € 25,00 verwandt hatte, ohne im Hinblick auf die Höhe des Warenwerts die PIN eingeben zu müssen. Dabei gelangte das OLG Hamm zum Ergebnis, dass dann, wenn ein Nichtberechtigter mit einer Girocard kontaktlos einen elektronischen Zahlungsvorgang auslöst und das kartenemittierende Kreditinstitut im Zuge der Abwicklung des Zahlungsvorgangs im „Point-of-Sale-Verfahren“ die zur Karte gehörende Geheimnummer (PIN) nicht abfragt, dieses Verhalten mangels Täuschung nicht den Betrugstatbestand gem. § 263 Abs. 1 StGB auszulösen vermag. Ein solches Verhalten vermöge nach Auffassung des OLG Hamm mangels Betrugsähnlichkeit auch nicht den Tatbestand des Computerbetruges gem. § 263 a Abs. 1 StGB und mangels Vorliegens einer Datenurkunde auch nicht den Tatbestand der Fälschung beweiserheblicher Daten gem. §§ 269 Abs. 1, 270 StGB zu verwirklichen. Zwar könne dieses Verhalten als Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB sowie nachrangig als Datenveränderung gem. § 303 a Abs. 1 StGB strafbar sein. Allerdings sei insbesondere für die Verwirklichung des § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB zumindest in subjektiver Hinsicht eine laienhafte Vorstellung von den technischen Abläufen einer kontaktlosen Zahlung im POS-Verfahren erforderlich, was das OLG Hamm im konkreten Fall bejahte. Dies deshalb, weil dem Täter bekannt war, dass bei den Einkäufen zu einem Warenwert von unter € 25,00 die Eingabe der PIN nicht erforderlich ist und er dies bewusst ausgenutzt habe.

 

SEMINARTIPP

Aktuelle Praxisprobleme in Kontoführung & Zahlungsverkehr, 04.11.2021, Zoom.

 

BUCHTIPP

Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 3. Aufl. 2020.

 

PRAXISTIPP

Auch wenn das Ergebnis des OLG Hamm sehr überrascht, wonach das bewusste Ausnutzen der kontaktlosen Zahlungsmöglichkeit ohne Verwendung der PIN weder den Betrugstatbestand des § 263 Abs. 1 StGB noch die Tatbestände des Computerbetruges nach § 263 a Abs. 1 StGB sowie der Fälschung beweiserheblicher Daten gem. §§ 269 Abs. 1, 270 StGB zu erfüllen vermag, so ist dennoch festzuhalten, dass es sich das OLG Hamm in seiner Entscheidung nicht einfach gemacht, sondern mit guten und nachvollziehbaren Argumenten die entsprechende Strafbarkeit abgelehnt und das Verhalten lediglich als Urkundenunterdrückung und als Verstoß gegen § 303 a Abs. 1 StGB gewertet hat. 

 


Beitragsnummer: 18163

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