Jürgen Wieczorrek, Problemkreditbetreuer, Sparkasse Radevormwald-Hückeswagen
Viele Firmen durchleben gerade eine stürmische Zeit. Selbst solide aufgestellte Unternehmen werden in ihren Grundfesten erschüttert, da Lieferketten zusammenbrechen und Abnehmer ausfallen. Bei vielen gewerblichen Kreditnehmern ist absehbar, dass die Durststrecke nur sehr kurz sein darf, da ansonsten der Zusammenbruch des Unternehmens droht. Aus dem aktuellen medialen Trommelfeuer lassen sich jedoch einige Handlungsoptionen für die Kreditnehmer ableiten.
Beantragung von Kurzarbeitergeld
Kurzarbeitergeld wird nach der am 14.03.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlichten Gesetzesänderung gewährt, wenn mindestens zehn Prozent der in einem Betrieb beschäftigten Mitarbeiter von einem Entgeltausfall von mindestens zehn Prozent Ihres Bruttoarbeitsentgelts betroffen sind. Nach dieser Änderung werden staatlicherseits auch die Sozialabgaben des Arbeitgebers in voller Höhe übernommen. Das Kurzarbeitergeld kann über einen Zeitraum von maximal zwölf Monaten in Anspruch genommen werden. Nach diesem Bezugszeitraum muss eine Pause von drei Monaten bis zu einer möglichen erneuten Inanspruchnahme liegen.
Aus Sicht des Kreditinstituts ist diese Unterstützung für das Unternehmen und die Arbeitnehmer sehr hilfreich, jedoch muss einkalkuliert werden, dass die Frage nach einer möglichen Vorfinanzierung gestellt wird. Gerade im Zuge der derzeit grassierenden Corona-Krise ist bei den Arbeitsagenturen mit erheblichen Bearbeitungszeiten von einigen Wochen zu rechnen, so dass im Zuge der Liquiditätssicherung ein solches Ansinnen verständlich ist.
Stundung von Steuerzahlungen
In der Pressekonferenz des Bundesministeriums der Finanzen vom 19.03.2020 wurden mehrere Maßnahmen erläutert, wie seitens des Fiskus Unterstützung geleistet werden kann. Neben dem Verzicht auf Zwangsmaßnahmen in diesem Jahr und Anpassung von Vorauszahlungen werden natürlich Stundungen angeführt. So kann es durchaus eine spürbare Erleichterung sein, wenn die im März fällige Lohnsteuer erst im Mai entrichtet werden muss. Aufgrund der sich häufig ändernden Anpassungen empfiehlt sich für die Betroffenen ein Telefonat mit dem Steuerberater oder dem Finanzamt.
SEMINARTIPPS
Haftungsfalle Sanierungsgutachten, 18.11.2020, Köln.
Schlanke und bezahlbare Sanierungskonzepte, 19.11.2020, Köln.
Liquiditätshilfe durch Tilgungsaussetzung oder Neukredite
Neben den zuvor aufgezeigten Punkten besteht auch die Möglichkeit, den gewerblichen Kreditnehmern über die Gewährung von zeitlich begrenzten Tilgungsaussetzungen die Liquidität zu erhalten. Einige Kreditinstitute sind hier schon vorgeprescht und verkünden halbjährliche Aussetzungen. Hiergegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, jedoch wird sich auch bei dieser Vorgehensweise sehr schnell zeigen, dass diese Vorgehensweise nicht für alle Engagements geeignet ist.
Üblicherweise sollten alle Unternehmen für Hilfestellungen in Frage kommen, denen das Kreditinstitut auch vor der Corona-Krise geholfen hätte. Dies sollte immer dann der Fall sein, wenn auch vor der Krise die rechnerische Kapitaldienstfähigkeit gegeben war. In den Medien wird leider immer noch sehr häufig nicht differenziert, dass Zombie-Unternehmen eigentlich nicht von der Hilfe begünstigt werden sollen.
War das Unternehmen bereits im letzten Jahr schlecht aufgestellt und die rechnerische Kapitaldienstfähigkeit war zum 31.12.2019 nicht (uneingeschränkt) gegeben, muss das helfende Kreditinstitut sehr genau prüfen, ob nicht eventuell vor Eintritt der Krise eine Zahlungsunfähigkeit vorlag. Genau diese Sichtweise wird in der jetzigen Situation im § 1 des neu beschlossenen COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (COVInsAG) eingefordert.
BUCHTIPPS
Prozesse und Controlling in Sanierung und Abwicklung, 3. Aufl. 2017.
Igl (Hrsg.): Sanierungsplanung in Kreditinstituten, 2019.
Cranshaw/Paulus/Michel (Hrsg.): Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016.
Zahlungsunfähigkeit ist bekanntlich ein Insolvenzantragsgrund (nach § 17 Insolvenzordnung) und das Kreditinstitut riskiert bei einer zu laschen Prüfung der Kreditwürdigkeit resp. bei einer Risikoerhöhung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers, dass ein späterer Insolvenzverwalter die Auskehrung möglicher Zahlungseingänge fordert. Bei einer Rückgriffszeit von bis zu zehn Jahren kann sich da ein relativ schlecht kalkulierbares Risiko für das Kreditinstitut aufbauen, auch wenn der Geschädigte diese Kenntnis beweisen muss.
Bei Hilfestellung über Kredite mit teilweiser Haftungsfreistellung kommt noch hinzu, dass die Hausbank gegenüber der öffentlichen Hand bestätigen muss, dass keine Zahlungsunfähigkeit vorlag. Fehler im Rahmen dieser Bestätigung können zu einem Fortfall der Haftungsfreistellung führen.

Fazit
Auch wenn in der Boulevardpresse vielfach behauptet wird, dass der Staat ohne besondere Prüfung sein Füllhorn über die Unternehmer ausschüttet, so entbindet er die Kreditgeber nicht von den Pflichten einer sorgfältigen Prüfung der finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Kreditnehmer. Anderenfalls folgt die Insolvenz der Kreditnehmer nur mit einer gewissen Zeitverzögerung. Und eine mögliche Anfechtungsauseinandersetzung mit dem Insolvenzverwalter auch.
PRAXISTIPPS
- Der Kreditgeber ist gut beraten, auch in Zeiten der Corona-Krise eine sorgfältige Prüfung der Verhältnisse des Schuldners vorzunehmen.
- Die Prüfung sollte möglichst neutral vorgenommen werden; aus der Situation heraus gemachte, leichtfertige Zugeständnisse können auch nach Jahren als Bumerang zurückkommen.
Beitragsnummer: 6451