Dienstag, 21. April 2020

BaFin-Journal 02/20 zu Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen

Dr. Tilman SchultheißRechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

 

Im Februar 2020 ist in dem BaFin-Journal 2/2020 ein Beitrag erschienen, in welchem sich die BaFin mit der Zinsanpassung aufgrund unwirksamer oder fehlender Zinsanpassungsklauseln (ZAK) bei Prämiensparverträgen im Hinblick auf die ergänzende Vertragsauslegung sowie etwaige aufsichtsrechtliche Eingriffsbefugnisse auseinandergesetzt hat (dazu ausf. Hölldampf/Schultheiß, BB 2020 S. 651 ff.). Leider hat die BaFin in dieser Stellungnahme keinerlei Differenzierung zwischen den verschiedenen Typen von Sparverträgen vorgenommen und unbesehen eine BGH-Rechtsprechung faktisch für allgemeingültig erklärt, die sich eigentlich auf jedenfalls zum Teil sehr spezielle Vertragsvarianten bezieht. Außerdem hat die BaFin das bereits in der Vergangenheit mehrfach angedeutete sehr extensive Verständnis von § 4 Abs. 1a FinDAG zugrunde gelegt. Erwartungsgemäß haben sich die Verbraucherschutzzentralen und deren Bevollmächtigte die Thesen aus dem Journal mittlerweile zu eigen gemacht. Die Thesen der BaFin stoßen auf erhebliche rechtliche Bedenken.

 

SEMINARTIPPS

Einführung Negative Zinsen & Verwahrentgelte, 11.05.2020, Frankfurt/M.

Praxisprobleme in Kontoführung & Zahlungsverkehr, 29.10.2020, Würzburg.

(Un)Zulässige Bankentgelte, 24.11.2020, Frankfurt/M.

 

In materiell-zivilrechtlicher Hinsicht muss die undifferenzierte Heranziehung der BGH-Rechtsprechung kritisiert werden. Die BaFin bezieht sich in dem Journal im Wesentlichen auf folgende Urteile:

  • BGH, Urt. v. 17.02.2004 – XI ZR 140/03
  • BGH, Urt. v. 13.04.2010 – XI ZR 197/09
  • BGH, Urt. v. 21.12.2010 – XI ZR 52/08
  • BGH, Urt. v. 14.03.2017 – XI ZR 508/15

Richtig ist, dass sich sämtliche Urteile mit Sparprodukten befassen und dazu Aussagen treffen. Nur wenige Entscheidungselemente erscheinen allerdings hierbei verallgemeinerungsfähig; dazu gehört etwa die Annahme, dass es bei unwirksamen (oder fehlenden) ZAK zu einer ergänzenden Vertragsauslegung kommt. Schon die Einzelheiten dieser ergänzenden Vertragsauslegung können aber dann nicht mehr ohne Ansehung des individuellen Falles betrachtet werden. Da gerade bei Sparverträgen eine quasi unüberschaubare Varianz existiert, ist bei der Übertragung auf Parallelfälle Zurückhaltung geboten: Schließlich käme wohl auch niemand auf die Idee, eine BGH-Entscheidung zu einem konkreten Kauf- oder Mietvertrag zu verallgemeinern, so dass es nicht einleuchtet, dies bei Judikaten zu Sparprodukten grundsätzlich anders zu handhaben. Gerade die Entscheidung vom 13.04.2010 betrifft mit dem S-Versicherungssparen ein Produkt, das wegen diverser Besonderheiten (Laufzeit von 20 Jahren, Kündigungssperrfrist, erheblicher Prämienverlust bei vorzeitiger Beendigung/Verfügung) keinesfalls zu einer Verallgemeinerung taugt – dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass das im Fokus der medialen Aufmerksamkeit stehende S-Prämiensparen-flexibel-Modell eben jene Merkmale zum größten Teil nicht enthält. Ähnliche Besonderheiten gelten in unterschiedlicher Intensität auch für die übrigen BGH-Entscheidungen. Deshalb ist schon allein die Annahme unzutreffend, dass die ergänzende Vertragsauslegung bei Sparprodukten im Allgemeinen auf diese BGH-Entscheidung gestützt werden könnte.

 

Die BaFin vertritt in ihrem Journal 2/2020 des Weiteren die Auffassung, dass Banken, welche potenziell unwirksame ZAK in ihren Sparverträgen mit den Kunden vereinbart haben, von sich aus auf die entsprechenden Vertragskunden zugehen und diese über die Unwirksamkeit der Klauseln informieren sollen. Dies solle u. a. dazu dienen, mit den Kunden „Lösungen“ zu finden. Für diese These gibt es weder in der von der BaFin herangezogenen BGH-Rechtsprechung noch in der sonstigen Rechtsprechung eine Grundlage. Der BGH geht davon aus, dass die korrekte Zinsabrechnung bei unwirksamen ZAK im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung erfolgen muss. Die vermeintlich korrekte Zinsanpassung wird weder im Wege der Vereinbarung noch in sonstiger Weise einvernehmlich mit dem Kunden festgelegt. Folglich kann es auch keine Pflicht geben, mit den Kunden nach „Lösungen“ zu suchen, da die von der Rechtsprechung geforderte „Lösung“ eben eine ergänzende Vertragsauslegung und eine darauf aufsetzende Verzinsung ist (Hölldampf, BB 2020 S. 265). Auch die höchst umstrittene Informationspflicht des Verwenders von unwirksamen AGB gegenüber dem Vertragspartner (s. für das Mietrecht etwa MünchKomm-BGB/Häublein, § 535 Rn. 164 m. w. Nachw. für eine Hinweispflicht bei Kenntnis der Unwirksamkeit) kann hierfür – wenn man einmal die grundsätzlichen Bedenken dagegen zurückstellt – nicht fruchtbar gemacht werden: Zum einen reicht die Hinweispflicht nicht so weit, dass dem Vertragspartner gegenüber auch vermeintlich richtige Berechnungen offengelegt werden müssten (ggf. mit der Konsequenz, hier auch die Margenstruktur offenzulegen) oder gar mit dem Kunden in Verhandlungen eingetreten werden müsste. Zum anderen ist davon auszugehen, dass das Gros der Kunden aufgrund der massiven Publizität der Thematik mittlerweile ohnehin darüber Kenntnis hat.

 

Abgesehen von diesen Bedenken in zivilrechtlicher Hinsicht begegnen die Thesen auch erheblichen Zweifeln in öffentlich-rechtlicher Hinsicht: Die Ermächtigungsgrundlage für ihr Vorgehen sieht die BaFin in ihrer Kompetenz zur Missstandsaufsicht gem. § 4 Abs. 1a FinDAG (Hölldampf/Schultheiß, BB 2020 S. 651 ff.). Es war absehbar, dass die unkonturierte Formulierung in § 4 Abs. 1a FinDAG früher oder später zu komplizierten Streitfragen über die Reichweite dieser Kompetenzgrundlage führen würde – gerade, weil es sich um eine unklare Gemengelage zwischen Zivil- und Aufsichtsrecht handelt. Dies deutet sich nun wiederholt konkret an. 

 

Ein derart extensives Eingreifen von § 4 Abs. 1a FinDAG, wie es der BaFin vor Augen zu stehen scheint, trifft bereits auf grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung: Die Klärung der zahlreichen offenen Fragen im Kontext unwirksamer Zinsanpassungsklauseln ist der Zivilgerichtsbarkeit vorbehalten und die BaFin darf dieser Prärogative nicht einfach kraft eigener Kompetenz vorgreifen. Davon abgesehen ist im konkreten Fall aber auch die Tatbestandsseite höchst zweifelhaft, da sich die BaFin hier auf BGH-Rechtsprechung stützt, welche die aktuell weit überwiegend betroffenen Sparverträge gar nicht betrifft (s. o.). Hinzu kommen auf Rechtsfolgenseite auch Bedenken mit Blick auf die Reichweite dieser Kompetenzgrundlage – schon eine Informationspflicht gegenüber den Kunden kennt auch der BGH in der von der BaFin herangezogenen Rechtsprechung nicht und demzufolge kann dies auch nicht kurzerhand im Wege des § 4 Abs. 1a FinDAG verfügt werden. Schließlich trifft die Annahme der BaFin auch unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit auf erhebliche Bedenken (ausführlich dazu: Hölldampf/Schultheiß, BB 2020 S. 651 ff.). 

 

 

PRAXISTIPP

 

Die bedenklich weit gehende Kompetenzzuweisung, die sich im BaFin-Journal anmaßt, ist daher abzulehnen. Sofern die BaFin tatsächlich aufsichtsrechtliche Maßnahmen ergreifen sollte, was derzeit mit Blick auf die laufenden Musterfeststellungsklagen vor dem OLG Dresden nicht naheliegt, ist daher überlegenswert, entsprechende Maßnahmen mit den verfügbaren Rechtsbehelfen anzugreifen. Dabei sind zwei Ebenen zu differenzieren: die materiell-zivilrechtliche Ebene (betrifft die Anwendbarkeit der BGH-Rechtsprechung) auf der einen und die materiell-öffentlich-rechtliche Ebene (Voraussetzungen des FinDAG) auf der anderen Seite. Prozessual käme es hierbei zwangsläufig zu einer Vermengung beider Ebenen, da die Tatbestandsvoraussetzungen des FinDAG – von der Verwaltungsgerichtsbarkeit! – mit zivilrechtlichen Elementen gefüllt werden müssten.


Beitragsnummer: 6769

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