Mittwoch, 16. September 2020

Europarechtskonforme Überarbeitung der Musterwiderrufsinformation

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Musters für eine Widerrufsinformation.

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

Nachdem der EuGH in seiner Entscheidung vom 26.03.2020, Az. C-66/19, entschieden hatte, dass die Modalitäten der Berechnung der 14-tägigen Widerrufsfrist in Verbraucherkreditverträgen in klarer und prägnanter Form anzugeben sind, der bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen enthaltene sog. Kaskaden-Verweis, mit dem in der Widerrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB verwiesen wird, welcher wiederum auf den Katalog von Pflichtangaben in Art. 247 §§ 6-13 des EGBGB verweist, nach Auffassung des EuGH diesen Anforderungen wiederum nicht genügt, war der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, bei den allein noch den Kaskadenverweis enthaltenden Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen die gesetzliche Musterwiderrufsinformation europarechtskonform zu überarbeiten. Dies ungeachtet der Tatsache, dass der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 31.03.2020, Az. XI ZR 581/18 und 198/19 (vgl. hierzu Hölldampf, WM 2020, 907 ff., ders. BTS Bankrecht 2020, 45 f.; sowie Edelmann, BTS Bankrecht 2020, 55), entschieden hat, dass eine Widerrufsinformation mit entsprechendem, nach Auffassung des EuGH unwirksamen Kaskadenverweis, welche der Gesetzlichkeitsfiktion unterfällt, nicht contra legem als unwirksam ausgelegt werden kann, weswegen die EuGH-Entscheidung vom 26.03.2020 an der Wirksamkeit der entsprechenden deutschen Widerrufsinformation nichts zu verändern vermag. Die seit dem 31.03.2016 in Anlage 8 EGBGB enthaltene Musterwiderrufsinformation für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge enthält eine entsprechende Kaskadenverweisung nicht und musste demgemäß auch nicht europarechtskonform neugestaltet werden. 

 

SEMINARTIPPS

Aktuelle Rechtsfragen rund um die Baufinanzierung, 23.11.2020, Frankfurt/M.

Aktuelle Praxisfragen Immobiliar-Verbraucherkredite, 28.04.2021, Frankfurt/M.

VerbraucherKreditRecht 2021, 10.05.2021, Frankfurt/M.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat nunmehr am 07.08.2020 vorstehenden Referentenentwurf vorgelegt, welcher eine Änderung der Musterwiderrufsinformation für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge gem. Anlage 7 zu Art. 247 § 6 EGBGB enthält. Dieser Entwurf sieht nunmehr vor, die Musterwiderrufsinformation unter Verzicht auf jegliche Querverweisung zu anderen gesetzlichen Regelungen um sämtliche für den Fristbeginn erforderlichen Pflichtangaben nach Art. 247 § 6-13 EGBGB zu ergänzen, wodurch die Widerrufsinformation ganz erheblich ausgeweitet wird. Dies soll wiederum unabhängig davon erfolgen, ob die aufgeführten Pflichtangaben für den einzelnen Verbraucherkreditvertrag überhaupt relevant sind oder nicht. Der damit verbundene Nutzen und Vorteil für den Verbraucher soll nach dem Referentenentwurf darin bestehen, dass der Verbraucher den Umfang der Pflichtangaben und den Fristbeginn anhand des ihn betreffenden Vertragsdokuments selbst ermitteln kann. Nach dem Referentenentwurf soll schließlich zu Gunsten des Verwenders die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterinformation nach wie vor eingreifen, wenn die Widerrufsinformation dem vorgegebenen Muster entspricht.

 

INHOUSETIPP

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PRAXISTIPP

 

Der Referentenentwurf dürfte nach hiesiger Auffassung den Vorgaben des europäischen Gerichtshofs in seiner Entscheidung vom 26.03.2020 nicht ohne Weiteres genügen. Denn dadurch, dass in der Widerrufsinformation nunmehr sämtliche Pflichtangaben unabhängig davon enthalten sind, ob diese für den jeweiligen Vertrag des Verbrauchers von Bedeutung sind oder nicht, muss der Verbraucher selbst entscheiden, welche der im Vertrag aufgeführten Pflichtangaben für seinen eigenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag von Bedeutung sind und welche nicht, was für einen „normalen“ Verbraucher kaum möglich sein dürfte. Von der Erteilung einer klaren und prägnanten Information zur Berechnung des Fristbeginns i. S. d. EuGH wird man daher nicht sprechen können. Für den Kreditgeber dürfte dies, sollte es bei der im Referentenentwurf vorgeschlagenen Musterwiderrufsinformation verbleiben, keinerlei Auswirkungen haben, da dieser sich nach wie vor entsprechend der BGH-Rechtsprechung auf die Gesetzlichkeitsfiktion wird berufen können.

 


Beitragsnummer: 10721

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