Montag, 30. November 2020

Darf man auf der Chinese Wall stehen?

Die Umsetzung von Synergieeffekten im Private Banking und Treasury.

Christian Wagner, Bankbetriebswirt, Private Banking & Treasury, Stadtsparkasse Kaiserslautern

 

Welchem Banker ist sie kein Begriff – und wir reden hier nicht über das monumentale Bauwerk in Asien? Die strikte Trennung zwischen dem Eigenhandel eines Kreditinstitutes, dem Depot A und dem Wertpapiergeschäft im Kundenbereich, dem Depot B.

Als streng überwachtes Instrument der Regulatorik verkörpert die Chinese Wall eine mächtige und bedeutende Grenze, die vor allem dem Schutz der Anleger dienen soll. Jedoch stellt sich heutzutage mehr denn je die Frage, ob es nicht besser ist, auch ausgewählte Personen absichtlich auf dieser Mauer zu platzieren, so dass man beide Seiten der Mauer betrachten und analysieren kann.




Könnten sich hierdurch Synergieeffekte ergeben, deren Umsetzung in den jeweiligen Kompetenzfeldern Wertschöpfungsquellen erschließen, die sowohl für die Kunden eines Kreditinstitutes als auch für das hauseigene Treasury von enormem Vorteil wären?

Auf den ersten Blick haben die beiden Geschäftsfelder wenig gemein. Die Treasury-Abteilung der Kreditinstitute beschäftigt sich mit großen Tickets, die oftmals durch die Regulatorik wie z. B. die Durchschaulösung bei Fonds oder der Risikoadjustierung enorm in ihren Auswahlmöglichkeiten eingeschränkt sind. Auf der anderen Seite stehen die Privat- und Geschäftskunden des Private Banking, denen eine Fülle von Anlageprodukten offensteht, die kaum zu überblicken und meist schwer zu vergleichen sind. Beide Geschäftsfelder eint ein hoher Anspruch an jegliches Produkt, gepaart mit dem ständigen Streben nach Weiterentwicklung und Optimierung.

Im Wertpapierbereich ist für die Anlage(-Beratung) die Nutzung der sog. Hausmeinung, die interne Produktauswahl, ein übliches Hilfsmittel für beide Sektoren. Doch wer bestimmt den Inhalt der Hausmeinung? Sorgt die Treasury mit ihren enormen Research-Kapazitäten für eine an die aktuelle Marktsituation angepasste Auswahl? Oder vollziehen wir zurzeit einen Change-Management-Prozess, bei dem die Kundeneinschätzung und die Erfahrungswerte der Berater immer entscheidender werden?


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Diese unterschiedlichen Herangehensweisen zeigen, dass eine Bündelung der Kompetenzen notwendig ist, um eine konsequente und zukunftsträchtige Ausrichtung für das Kreditinstitut und seine Anlagekunden sicherzustellen.

Genau hier findet sich die größte Schnittmenge der beiden Bereiche, die durch gezielte intensive Zusammenarbeit größtmögliche Synergieeffekte freisetzen. Als exemplarisches Beispiel dient hierzu das momentan omnipräsente Schwerpunktthema der nachhaltigen Geldanlage: Bereits in den Anfängen der weltweiten Protestbewegung „Fridays for Future“ wurde das Thema Nachhaltigkeit bei der Geldanlage vor allem im Private Banking verstärkt nachgefragt. Auf der einen Seite durch Firmenkunden, die im eigenen Unternehmen den Fokus auf die sog. ESG-Kriterien richteten, um sowohl die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen als auch zur Imagepflege in der Außenwirkung. Auf der anderen Seite erhöhte sich auch im Privatkundenbereich die Nachfrage merklich insbesondere bei Kunden, die bei der Optimierung ihrer Anlagestrategie eine größere soziale Verantwortung übernehmen und das eigene Portfolio nachhaltiger aufstellen wollten.

Diese beiden Beispiele zeigen, inwieweit sich bereits die Kundschaft mit dieser Thematik beschäftigt und wie präsent „Nachhaltigkeit“ für den Anleger wie Unternehmer geworden ist.

Vor allem in den Anfängen der gestiegenen Nachfrage nach nachhaltigen Anlagemöglichkeiten bot der Markt indes nur ein spärliches Angebot an Möglichkeiten für den Eigenhandel. Die Privatkundschaft konnte die Portfolien nachhaltiger gestalten, nicht jedoch die Treasury der Kreditinstitute, aufgrund massiver regulatorischer Beschränkungen. Mittlerweile (und auch der gestiegenen Nachfrage geschuldet) bietet der Markt auch für den Eigenhandel der Kreditinstitute zahlreiche Investitionsmöglichkeiten, die neben einer ansprechenden Performance auch auf die Regulatorikanforderungen des Depot A zugeschnitten wurden.

Fazit: Am Beispiel der nachhaltigen Geldanlage wird deutlich, wie die Symbiose von jeweiligen strategischen Partnern durch die Neu- bzw. Weiterentwicklung von Anlageprodukten vorangetrieben wurde und somit alle Beteiligten der Wertschöpfungskette profitieren konnten.

Das Erkennen und Nutzen von Synergieeffekten sind wichtiger denn je geworden. Hier haben vor allem die Mitarbeiter des Private Banking mit ihrer langjährigen Erfahrung und der intensiven Kundenbindung einen immensen Anteil. Sie erkennen die Trends am Kapitalmarkt häufig schon in ihrer Entstehungsphase und können zusammen mit der Treasury und deren Researchmöglichkeiten schnell und zielgerichtet Anlagephilosophien sowohl für den Eigenhandel wie für das Kundengeschäft ausrichten.

In Anbetracht schnelllebiger Märkte, komplexer Anlagestrukturen und eines allseitigen hohen Anspruchs an das Wertpapierinvestment lohnt sich in jedem Fall ein Blick zu beiden Seiten der Chinese Wall. Alle Beteiligten können von diesem übergeordneten Wissen profitieren und so darf und muss in dieser Hinsicht ausgewählten Personen die Aussicht auf dieser „Mauer“ gewährt werden.


PRAXISTIPPS

  • Intensivierung des Austauschs zwischen den Anlageberatern und der Treasury durch regelmäßige Kurzmeetings.
  • Teilnahme einzeln ausgewählter Personen an Besprechungen der „jeweils anderen“ Abteilung.
  • Entwicklung praktikabler Strategien, die die Kundenmeinung deutlicher fokussiert wie zum Beispiel durch Auflistung und Sammlung der Kundenanliegen und aktiv geäußerter Nachfrage durch die Anlageberater.

Beitragsnummer: 13998

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