Mittwoch, 20. Januar 2021

Fokus Organkredit - Neuerungen aus dem Risikoreduzierungsgesetz

Kleine Änderungen-Große Auswirkungen!?

(Stand 15.01.2021)

 Frank Günther, Senior Consultant Kreditregulatorik - Spezialist Kredit und Aufsichtsrecht, FCH Consult GmbH

 Das neue Risikoreduzierungsgesetz (RiG), welches vor allem der Umsetzung des EU-Bankenpakets dient und zu weitreichenden Anpassungen im Kreditwesengesetz führte, trat in wesentlichen Teilen am 29.12.2020 in Kraft. 

 Leider findet eine kleine, aber nicht unkomplizierte und prozessual nicht zu unterschätzende Änderung aus dem Art. 2 Risikoreduzierungsgesetz (RiG) in diversen Fachartikeln und Publikationen keine Erwähnung. Mit Inkrafttreten wurden wesentliche in der Wirkung umfangreiche Änderungen rund um den § 15 KWG “Organkredit” rechtlich in Kraft gesetzt (BGBl. I S. 2.773 vom 09.12.2020). 

Erhalten bleibt beim Organkredit der grundsätzliche Ansatz, Gefahren, die sich bei der Kreditvergabe an eng mit dem Kreditinstitut verbundene Personen und Unternehmen aufgrund persönlicher Einflussnahme oder sachfremder Erwägungen ergeben könnten, mit Regularien wie:

  • Beschlussfassung durch Geschäftsleiter und Aufsichtsrat, 
  • Dokumentationspflicht zur Marktgerechtigkeit der Konditionen,
  • Sanktionsmöglichkeiten der Aufseher

 entgegenzuwirken.

 


Was ist nun neu und welche Auswirkungen auf die Bankprozesse werden die Neuerungen haben? Mit der o. g. Änderung durch das RiG wurden jedoch weitere umfangreiche Erweiterungen und Verschärfung des genannten Ansatzes vorgenommen. Folgende wesentlichen Änderungen stehen dabei im Fokus: 

  • Erweiterung des Begriffes der nahestehenden Personen und Unternehmen (Organträger),
  • Erweiterung des Kreditbegriffes um einen umfassenden Geschäftsbegriff,
  • Verzichtspflicht auf Beschlussfassung der Mitglieder der Geschäftsleitung und Aufsichtsrat bei Interessenkonflikten.

 

Erweiterung des „Organträgerbegriffes“ 

Die Änderung dient dazu, den in Fußnote 73 zu Grundsatz 20 der Baseler Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht beschriebenen Kreis der verbundenen Parteien vollständig zu erfassen. Als “engste Familienangehörige”, wie in der genannten Fußnote beschrieben, sind somit auch volljährige Kinder und Eltern zu verstehen. Die Änderung dient auch der Anpassung an Art. 88 Absatz 1 neuer Unterabsatz Satz 2 Buchstabe a der CRD V. (Auszug Begründung Referentenentwurf). 

Damit werden neben den Krediten an folgende genannte Personen selbst, deren Ehegatten, Lebenspartner, minderjährige Kinder neu auch die an deren Eltern und volljährige Kinder von den Regelungen des § 15 KWG erfasst:   

  • Geschäftsleiter, Prokuristen, Generalbevollmächtige des Instituts,
  • Gesellschafter (nicht Geschäftsleiter) des Instituts, wenn dieses Personengesellschaft oder GmbH ist (KGaA ausschließlich persönlich haftender Gesellschafter),
  • Aufsichtsräte des Instituts,
  • persönlich haftende Gesellschafter, Geschäftsführer, Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsorgans, Prokuristen und zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte eines von dem Institut abhängigen Unternehmens oder das Institut beherrschenden Unternehmens. 

Betreffs der Unternehmensorgankredite wurden ebenfalls Erweiterungen vorgenommen:

  • Unternehmen, wenn ein Geschäftsleiter, ein Prokurist oder ein zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter des Instituts oder dessen Ehegatte, Lebenspartner, Kind oder Elternteil gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Aufsichtsorgans der juristischen Person oder Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft ist,
  • Unternehmen, an denen das Institut oder der vorab genannten Personen oder deren Ehegatten, Lebenspartner, Kinder und Eltern eine bedeutende Beteiligung (mindestens zehn Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte eines Unternehmens) hält oder die genannten Personen persönlich haftender Gesellschafter sind.

 

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Diese Erweiterungen führen dazu, dass die Institute die notwendigen persönlichen Informationen zu Verwandtschaftsverhältnissen und Unternehmensverbindungen über die direkt verbundenen Personen (Geschäftsleiter, Gesellschafter, Prokurist, Generalbevollmächtigter, Aufsichtsrat) einholen und ihre internen Prozesse betreffs Erkennen, Beschließen, Überwachen von Organkrediten anpassen müssen. Dabei ist zu beachten, dass für alle neuen Kredite außerhalb der unveränderten Bagatellregelungen des § 15 KWG ab 29.12.2020 die genannten Erweiterungen anzuwenden sind.

 

Erweiterung des „Organkreditbegriffes“ 

Das oben beschriebene Verfahren für Organkredite wird durch Einführung des § 15 Absatz 6 KWG vom Grundsatz auf alle Geschäfte ausgeweitet, die bisher nicht unter dem definierten Kreditbegriff erfasst wurden. Die Änderung dient dazu, Grundsatz 20 der Baseler Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, hier vor allem die zentrale Kriterien 2 und 3 in Verbindung mit Fußnote 74, vollständig einzuhalten. Zu den dort erfassten Geschäften zählen unter anderem Dienstleistungsgeschäfte, Käufe und Verkäufe von Vermögensgegenständen (z. B. Immobilien), Bauverträge und Ausbuchungen. Der Internationale Währungsfonds hat im Rahmen des FinancialSector Assessment Programm 2016 das Fehlen von Regeln für solche Geschäfte beanstandet. Durch die Änderung wird dieses Defizit behoben. (Auszug Begründung Referentenentwurf)

Dies hat zur Folge, dass Banken diese Geschäfte definieren und Verfahren zur Beschlussfassung, Marktgerechtigkeitsprüfung und -dokumentation einführen müssen. 

Bisher teilweise angewendete Pauschalbeschlüsse, dass für alle Geschäfte mit nahestehenden Personen und Unternehmen ausschließlich marktgerechte Konditionen angewendet werden, sind nach vorliegendem Gesetzestext in dieser Form nicht mehr möglich. Im Rahmen der Möglichkeiten des § 15 KWG für Personenorgankredite ist der Einsatz von Vorratsbeschlüssen bis maximal ein Jahr empfehlenswert. Dabei ist zu beachten, dass bei Geschäften wie auch bei Krediten die rechtlichen Regelungen auf die Gruppe verbundener Kunden nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR anzuwenden sind. 

Letztendlich bleiben bei der Geschäftsdefinition im Sinne des § 15 Abs. 6 KWG, der Bemessung dieser und Form der Beschlussfassung noch eine Reihe Fragen endgültig in Abstimmung mit der deutschen Aufsicht zu klären, damit ein einheitliches und prüfungssicheres Vorgehen durch die Institute sichergestellt werden kann. 


PRAXISTIPPS

 

  • Installieren Sie einen laufenden Prozess der Aktualisierung, Überprüfung und IT-Erfassung der Organträgerschaften. 
  • Informieren Sie alle Beteiligte über die Veränderungen.
  • Passen Sie rechtlich mögliche Vorratsbeschlüsse bzw. individuelle Rahmengenehmigungen an die neuen Begrifflichkeiten des Organträgers und des Geschäftsbegriffes an.
  • Stimmen Sie Ihr Vorgehen mit der Revision und Prüfern ab
  • Beachten Sie die noch laufenden Klärungen mit der Aufsicht vor allem betreffs der endgültigen Geschäftsdefinition und des letztendlich prüfungsrelevanten letztendlichen Umsetztermins der Neuen Regelungen (wir werden Sie informieren).
  • Überprüfen Sie Ihren Prozess zur Bildung der Gruppe verbundener Kunden – auch im Nichtkreditgeschäft.

Beitragsnummer: 15026

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