Mittwoch, 20. Januar 2021

Kreditvergabestandards: interne Kontrollen - externer Prüfungsfokus

Dominik Leichinger, Prüfungsleiter, Referat Bankgeschäftliche Prüfungen 2, Hauptverwaltung in NRW, Deutsche Bundesbank

 

Die in dieser Publikation vertretenen Auffassungen geben die persönliche Meinung des Autors wieder und sind nicht notwendigerweise Positionen der Deutschen Bundesbank oder einer anderen Bankenaufsichtsbehörde.

Unter den Kreditvergabestandards im Kundenkreditgeschäft[1] eines Instituts werden allgemein die Rahmenbedingungen verstanden, unter denen ein Kreditinstitut bereit ist, Kredite an seine Kunden herauszureichen. Auf oberster Ebene beinhalten die Geschäfts- und Risikostrategie wesentliche Rahmenvorgaben bzw. Leitplanken zu den institutsindividuellen Kreditvergabestandards. Im Detail ist die Gesamtheit der Kreditvergabestandards regelmäßig in einer Vielzahl von Richtlinien und Arbeitsanweisungen niedergelegt, über die ein Institut seine Kreditvergabepraxis regelt.



Als Kriterien für die Kreditvergabe auf Kreditnehmerebene kommen neben Mindestanforderungen an die Bonität (u. a. abgeleitet auf Basis von verwendeten Ratingverfahren) auch Regelungen zur Besicherung (u. a. Art der akzeptierten Sicherheiten, Begrenzung von Beleihungsausläufen) in Frage. Produkt- oder fazilitätsabhängige Vorgaben, etwa zur Laufzeit oder Losgrößenbeschränkungen, stellen weitere Beispiele potenzieller Kreditvergabestandards dar. Darüber hinaus sind weitere Positiv- bzw. Negativabgrenzungen oder auch Kombinationen von verschiedenen Kriterien denkbarIn Abhängigkeit von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der von einem Institut betriebenen Kreditgeschäfte kann es sinnvoll sein, nach Kunden-, Geschäfts- oder Produktsegmenten differenziert ausgestaltete Kreditvergabestandards festzulegen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist eine konsistente Ausgestaltung der Kreditvergabestandards – insbesondere unter Berücksichtigung des Risikoappetits sowie weiterer strategischer Vorgaben.

Ergänzend zu den Regelungen auf Kreditnehmerebene sollten die Kreditvergabestandards auch die Dimension der (Teil-)Portfolioebene umfassen. Über entsprechende Vorgaben können Risikokonzentrationen begrenzt und gesteuert werden.

Mit zunehmender Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten auch in der Finanzbranche sind Institute darüber hinaus angehalten, die mit ihrem Kreditgeschäft verbundenen ESG-Risiken[2] im Rahmen ihrer Kreditvergabe zu berücksichtigen und in ihren Kreditvergabestandards mit zu verankern. So sehen die Regelungen der EBA/GL/2020/06[3] vor, dass von den Instituten ESG-Faktoren und die mit diesen verbundenen Risiken innerhalb ihres Kreditrisikoappetits und ihrer Kreditrisikostrategie aufzunehmen sind[4].


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Übersichtlich zusammengestellt können Kreditvergabestandards, in Form von klar definierten Kreditvergabekriterien, maßgeblich zu einer konsequenten Umsetzung der geschäfts- und risikostrategischen Vorgaben beitragen.

Neben dem traditionellen Vier-Augen-Prinzip lässt sich die Einhaltung der Kreditvergabestandards leicht über eine technische Implementierung von prozessimmanenten Kontrollen sicherstellen. Die Überwachung der Einhaltung liegt dabei im Verantwortungsbereich der sogenannten „zweiten Verteidigungslinie“.

Sofern ein Institut in Einzelfällen von seinen Kreditvergabestandards abweicht, sollte innerhalb des Instituts über die betroffenen Fälle und die jeweilige Begründung berichtet werden. Generelle Änderungen der Kreditvergabestandards sollten ebenfalls begründet werden können. Vielmehr aber sollten die von der Geschäftsleitung verabschiedeten Kreditvergabestandards stets und gleichermaßen angemessen und konsistent zum Geschäftsmodell und nicht zuletzt zur Risikotragfähigkeit des Instituts ausgestaltet sein.

Seitens der Bankenaufsicht besteht auch Interesse an den Kreditvergabestandards der Institute und deren Entwicklung. Zeitgleich zum LSI-Stresstest 2019 wurden mehr als 100 Institute zu ihren Risiken aus Immobilienfinanzierungen sowie zur Entwicklung der Kreditvergabestandards im Kreditgeschäft mit Unternehmen befragt[5].


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Die in diesem Zusammenhang gewonnen Erkenntnisse deuteten auf Lockerungstendenzen bei den Kreditvergabestandards hin. Neben einer rückläufigen durchschnittlichen Besicherungsquote zeigte sich beispielsweise auch eine Abnahme des Tilgungsanteils[6]

Nicht zuletzt aus der inzwischen seit einem Jahr anhaltenden Covid-19 Pandemie resultiert ein Überprüfungs- und Anpassungsbedarf der Kreditvergabestandards. Aufgrund der umfangreichen – im Kontext der Pandemie – getroffenen Maßnahmen, wird diese immer häufiger als eine Zäsur unserer Epoche bezeichnet, mit nachhaltigen Veränderungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenlebens, die auch das Risikoprofil des Kreditgeschäfts der Institute maßgeblich verändert. 

PRAXISTIPPS

  • (Differenzierte) Definition und Vorgabe von Kreditvergabekriterien für eine klare Trennung zwischen strategisch gewünschten und unter (Rendite- und) Risikogesichtspunkten, nicht gewünschtem Kreditgeschäft.
  • Sicherstellen, dass die Kreditvergabestandards in konsistenter Weise zur strategischen Ausrichtung und zur Risikotragfähigkeit des Instituts passen.
  • Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in den Risikoappetit und folglich in die Kreditvergabestandards eines Instituts.

 


[1]  Der Aufsatz ist auf das Kundenkreditgeschäft fokussiert. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass Kreditvergabestandards auch im Bereich der Eigenanlagen eines Instituts von hoher Relevanz sind.

[2]  In ihrem Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken definiert die BaFin Nachhaltigkeitsrisiken als „Ereignisse oder Bedingungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, deren Eintreten tatsächlich oder potenziell negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines beaufsichtigten Unternehmens haben können.“

[3]  EBA guidelines on loan origination and monitoring, 29 Mai 2020.

[4]  Vgl. EBA, EBA/G/2020/06, Abschnitt 4.3.5.

[5]  Vgl. BaFin , Pressemitteilung vom 01.04.2019 (https://www.bafin.de/dok/12271206, abgerufen am 16.01.2021).

[6]  Vgl. BaFin / Bundesbank, Präsentation zur Pressekonferenz vom 23.09.2019.


Beitragsnummer: 15032

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