Montag, 15. März 2021

EU-Transparenzverordnung

Pflichtstoff auch für den freien Finanzvertrieb nach 34f GewO.

Dr. Martin Andreas Duncker, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, schlatter.law, Heidelberg

 

Ab dem 10.03.2021 gilt sie nun unmittelbar: Die neue EU-Transparenzverordnung für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater. Lange wurde gerätselt, ob die Verordnung auch für den freien Finanzvertrieb gilt. Die BaFin hat sich nun offenbar festgelegt: 34f-Vermittler sollen nicht der EU-Transparenzverordnung unterfallen. Anders sehen dies viele Verbände und der DIHK. Wie soll sich der Vertrieb nun verhalten?

 

 

Die EU-Transparenzverordnung ab 10.03.2021

 

Das Ziel der „EU-Transparenzverordnung“ (TVO) für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater ist schnell erklärt: In der EU sollen einheitliche Offenlegungspflichten auf Unternehmens- und Produktebene für Finanzprodukte im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsfaktoren gelten. Nachhaltigkeitsfaktoren sind nach dem Verständnis der Verordnung Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Nachhaltigkeitsrisiken sind Ereignisse oder Bedingungen, die in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben – oder haben können. Spätestens ab dem 30.12.2022 ist die Berücksichtigung der nachteiligen Auswirkung auf die Nachhaltigkeit für alle Produkte offenzulegen.

 

Wer muss sich an die Vorgaben der TVO halten?

 

Die TVO ist von Finanzberatern und Finanzmarktteilnehmern zu beachten. Zu Finanzberatern gehören nach der EU-Definition (Art. 2 Nr. 11 TVO) zum einen Versicherungsvermittler oder Versicherungsunternehmen, die Versicherungsberatung für Versicherungsanlagenprodukte erbringen, zum anderen Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, die Anlageberatung anbieten sowie AIFM und/oder OGAW-Verwaltungsgesellschaften, die Anlageberatung anbieten. Alle genannten Akteure müssen also zumindest auch beratend tätig sein; die bloße Vermittlung reicht für die Anwendbarkeit der TVO nicht aus. Daneben nennt die TVO die Gruppe der Finanzmarktteilnehmer. Auch Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, die Portfolioverwaltung erbringen, sind sog. Finanzmarktteilnehmer. 

 


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Es gibt Ausnahmen, aber Achtung!

 

Die TVO gilt nach ihrem Wortlaut weder für Versicherungsvermittler noch für Wertpapierfirmen, die Anlageberatung anbieten, wenn sie weniger als drei Personen beschäftigen (Art. 17 TVO). Die EU-Mitgliedstaaten können diese Ausnahme streichen und auch diesen „Kleinbetrieben“ alle TVO-Pflichten auferlegen. Davon hat Deutschland bislang keinen Gebrauch gemacht. Doch trotz dieser Ausnahme wird in Ziffer 6 der TVO-Erwägungsgründe auch im Hinblick auf diese Personengruppe feinsinnig unterschieden: Diese Personen sind zwar nicht verpflichtet, Informationen gemäß der TVO zur Verfügung zu stellen, sie müssen aber „in ihren Beratungsprozessen die Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen und einbeziehen.“ Es gibt also auch für „Kleinbetriebe“ keinen Grund, sich im Hinblick auf die TVO entspannt zurückzulehnen.

 

 

Keine Geltung für 34f-Vermittler?!

 

Doch gilt die TVO auch für die 38.000 Finanzanlagenvermittler nach § 34f GewO? Der Wortlaut der TVO ist nicht eindeutig. Die BaFin vertritt die Auffassung, dass 34f-Vermittler nicht Adressaten der OffenlegungsVO seien. Schließlich seien diese innerhalb der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG tätig, daher kein Finanzdienstleistungsinstitut und auch kein Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Diese Aussage ist für den freien Vertrieb positiv. Doch viele Fachverbände und auch der DIHK weisen darauf hin, dass die 34f-Vermittler vom Sinn und Zweck der Regelung von der TVO erfasst seien. Zwar habe der deutsche Gesetzgeber von der Ausnahmemöglichkeit des Art. 3 MiFID II Gebrauch gemacht und die Finanzanlagenvermittler über § 3 WpHG vom Anwendungsbereich des WpHG bisher ausgenommen. Dieser Umstand sei aber bei der Erstellung der TVO wohl schlicht übersehen worden, also ein reines Redaktionsversehen. 

 

Derzeit keine Rechtssicherheit

 

Die Rechtsauffassung der BaFin hat Gewicht. Sie ist eine klare Aussage zur Verwaltungspraxis. Sie ist aber auch nicht mehr. Die berechtigte Kritik an dieser Meinung zeigt, dass durchaus eine Korrektur erfolgen wird – entweder durch den EuGH, oder den EU-Verordnungsgeber selbst. Denn das Ziel der EU, mit der TVO einheitliche Offenlegungspflichten einzuführen, scheint nur schwer erreichbar, wenn zwar bspw. die Hausbank des Kunden in der Beratung ESG-Themen behandeln muss, der freie Finanzberater des Kunden bei der Empfehlung desselben Anlageprodukts hingegen nicht. Zudem spricht auch der Oberbegriff „Finanzberater“ (Art. 2 Nr. 11 TVO) eher für einen weiten Adressatenkreis. Und auch der Erwägungsgrund (6) der TVO zeigt: Selbst die Finanzberater, die unter die Ausnahmevorschrift der TVO fallen, sollen zumindest in der Beratungspraxis auf das Thema Nachhaltigkeit eingehen. 

Empfehlung: TVO auch als 34f-Vertrieb beachten

 

Selbst wenn man der BaFin in ihrer Auffassung folgen wollte, sollten sich die Finanzanlagenvermittler nicht darauf ausruhen. Denn sie werden ab dem 10.03.2021 in ihrer täglichen Arbeit um das Thema Nachhaltigkeitsfaktoren und Nachhaltigkeitsrisiken rein praktisch nicht herumkommen. Denn die Produktgeber werden zukünftig Angaben zu Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsauswirkungen in ihre Produktunterlagen aufnehmen. Jeder Vermittler wird sich also zu diesen Informationen in irgendeiner Weise verhalten müssen, wenn er auch zukünftig anleger- und objektgerecht beraten will. Er wird diese Informationen also in sei-nem Beratungsprozess gegenüber dem Kunden verarbeiten müssen. Denn schließlich ist der Anlageinteressent – aufsichtsrechtlich und haftungsrechtlich – in der Beratung über all diejenigen Umstände aufzuklären, die der Anlageinteressent benötigt, um die Finanzanlage verstehen und auf dieser Basis seine Anlageentscheidung treffen zu können. Das Thema „Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsrisiken“ wird sich dabei nicht ausblenden lassen.

 

 

PRAXISTIPPS

  • Auch der freie Finanzvertrieb kommt an dem Thema Nachhaltigkeit ab dem 10.03.2021 nicht vorbei.
  • Der Website-Auftritt und die vorvertraglichen Informationen sollten um Angaben zum Umgang mit Nachhaltigkeitsfaktoren ergänzt werden.
  • Der Inhalt dieser Angaben hängt davon ab, welchen Stellenwert das Thema Nachhaltigkeit in der eigenen Beratungspraxis einnimmt.
  • Nachhaltigkeitsthemen vollkommen unberücksichtigt zu lassen, ist mit einem zeitgemäßen Beratungsansatz kaum vereinbar.

Beitragsnummer: 18107

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