Mittwoch, 31. März 2021

Hintergründe und Grundlagen der Geeignetheitsprüfung und -erklärung


Lukas Zimpfer, Verbandsprüfer, Mitglied der Facharbeitsgruppe WpHG/Depot, Baden-Württembergischer Genossenschaftsverband e. V.

 


Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) übt in Deutschland die Wertpapieraufsicht aus. Erklärte Ziele sind dabei die Gewährleistung der Transparenz und Integrität des Finanzmarktes. Zur Wahrung und Erreichung der Ziele zählen neben der Bekämpfung von Insidergeschäften und Marktmanipulation, der Überprüfung von Ad-hoc-Meldungen oder der Bilanzkontrolle (nicht abschließende Aufzählung) insbesondere die Wahrnehmung des kollektiven Verbraucherschutzes. Dieses Aufsichtsziel wurde mit dem Kleinanlegerschutzgesetz im Juli 2015 auch erstmals gesetzlich verankert (vgl. § 4 Abs. 1a FinDAG). 

 

Über den kollektiven Verbraucherschutz verpflichtet sich die BaFin dem Schutz der Verbraucher. Ein individueller Anspruch eines jeden Verbrauchers auf Tätigwerden der BaFin ist hieraus jedoch nicht abzuleiten, vielmehr wird die BaFin einzig im öffentlichen Interesse tätig, um Missstände zu verhindern oder zu beseitigen. Hierzu können beispielsweise Anordnungen getroffen werden, die bis hin zur Einstellung des Vertriebs von Produkten oder Geschäftspraktiken gehen. Derart weitreichende Anordnungen sind besonders dann geboten, wenn erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz oder eine Gefahr für das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanzmärkte bestehen. Hiervon macht die BaFin durchaus Gebrauch, wie den monatlich erscheinenden BaFin-Journalen zu entnehmen ist.

 

Für den Anlegerschutz und die Wahrung funktionierender Finanzmärkte sind besonders die in den §§ 63 ff. WpHG normierten Verhaltensregeln und Organisationspflichten von Bedeutung. Hierzu zählt z. B. die Pflicht, dass Unternehmen ihre Kunden vor dem Abschluss eines Wertpapiergeschäftes über die wichtigsten Aspekte informieren müssen (Anleger- und Anlagegerechte Beratung). Grundsatz ist auch hier die Proportionalität, das heißt, je komplexer und riskanter das beabsichtigte Geschäft und je unerfahrener der Anleger ist, desto umfangreicher ist dieser aufzuklären (vgl. BaFin (2021): https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/AufgabenGeschichte/Wertpapieraufsicht/wertpapieraufsicht_node.html).

 

Zur Dokumentation dieser Anforderungen wurde im August 2009 das Anlegerberatungsgesetz verabschiedet, mit dessen Inkrafttreten am 01.01.2010 u. a. die Pflicht zur Protokollierung der Anlageberatung in dem WpHG (damals § 34 WpHG, mittlerweile §§ 83 i. V. m. 64 WpHG) verankert wurde und die bis dahin praktizierte Dokumentation der Kundenangaben ablöste. Ziel war es dabei, durch Protokollierung der Anlageberatung dem Anleger eine bessere Position zur späteren Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aus einer Falschberatung zu verschaffen (vgl. Bundesgesetzblatt, Drucksache 640/09). In Folge der zum 03.01.2018 in Kraft getretenen MiFID II ergaben sich Neuerungen, die die Kunden vor allem in der Anlageberatung spürten. Das Beratungsprotokoll wurde durch die Geeignetheitserklärung ersetzt, in der u. a. nun dargestellt werden muss, wie die Beratung auf die Präferenzen, Ziele und sonstigen Merkmale des Privatkunden abgestimmt worden ist und weswegen die ausgesprochene Empfehlung zum Kauf, Verkauf oder Halten für den Kunden geeignet ist. Eine Order über das empfohlene Geschäft kann grundsätzlich erst erfolgen, nachdem der Kunde die Geeignetheitserklärung erhalten hat; Ausnahmen können bestehen, wenn der Vertrag im Wege der Fernkommunikation geschlossen wurde (Vgl. BaFin (2021): https://www.bafin.de/DE/PublikationenDaten/Jahresbericht/Jahresbericht2017/Kapitel5/Kapitel5_1/Kapitel5_1_1/kapitel5_1_1_node.html).


Seminartipps

Ergänzt werden die im WpHG und auf europäischer Ebene erlassenen delegierten Verordnungen durch die MaComp, insbesondere durch BT 6 (Inhalte und Zurverfügungstellung der Geeignetheitserklärung) und BT 7 (Prüfung der Geeignetheit). 

Zunächst einmal muss jedes empfohlene Geschäft für den Kunden finanziell tragbar sein. Die Empfehlung über die Höhe eines monatlichen Wertpapiersparplans kann somit grundsätzlich nicht höher sein als das regelmäßige frei zur Verfügung stehende freie Einkommen des beratenen Kunden. Gegebenenfalls abweichende Empfehlungen könnten dennoch geeignet sein (z. B. zeitlich befristeter Ansparplan aus einer Vermögenssubstanz), sollten allerdings ausführlicher in der Geeignetheitserklärung begründet werden. Darüber hinaus sind bei der Erarbeitung einer geeigneten Empfehlung die besonderen Wünsche des Kunden (Höhe der Anlage, maximale Anlagedauer, Einmalanlage oder regelmäßige Anlage, Investition in nachhaltige Produkte oder besondere Branchen etc.) und dessen Risikobereitschaft (Spekulant oder konservativer Anleger) zu berücksichtigen.

 

Im Rahmen der durch den Anlageberater durchgeführten Geeignetheitsprüfung werden die Kundenwünsche/Kundenpräferenzen mit den in Frage kommenden Anlageprodukte abgeglichen. Im Ergebnis empfiehlt der Anlageberater dem Anleger die Produkte, bei denen sich die Produkteigenschaften mit den Präferenzen des Kunden decken. In der Geeignetheitserklärung begründet der Anlageberater gegenüber dem Kunden, weswegen dieses Produkt für ihn geeignet ist. Dabei ist in eindeutiger Weise auf die Kundenpräferenzen einzugehen; allgemeingültige Aussagen sind nicht ausreichend. BT 6.1 MaComp nennt beispielhaft sowohl Positiv- als auch Negativbeispiele. So ist es beispielsweise nicht ausreichend, gegenüber dem Kunden die Empfehlung wie folgt zu begründen: „Das Wertpapier passt zur Anlagedauer“. Vielmehr ist der im Rahmen der Geeignetheitsprüfung erfolgte Abgleich zwischen Kundenpräferenzen und Produkteigenschaften zu beschreiben, so dass eine mögliche Formulierung in der Geeignetheitserklärung lauten könnte: „Ihre gewünschte Anlagedauer von über 5 Jahren steht im Einklang mit dem Anlagehorizont des Produktes von über 5 Jahren.“ (vgl. BT 6.1 MaComp).

 

PRAXISTIPPS

In der Praxis ist zu beobachten, dass sich viele, auch erfahrene Anlageberater schwer tun, den qualitativen Abgleich zwischen den Kundenangaben und den Produkteigenschaften zu dokumentieren. Gleichwohl fand dieser im Rahmen der Anlageberatung bereits statt. Zur Qualitätssteigerung können dienen

  • Best Practice Beispiele aus Selbstkontrollen, aus Kontrollen der Marktfolge und der Compliance-Funktion
  • Schulungsmaßnahmen
  • Zu Übungszwecken, losgelöst von möglichen Textbausteinen oder den „Zwängen“ des IT-Systems, in einem simulierten Fall dokumentieren, weswegen ein Produkt dem Kunden empfohlen wurde
  • Besonders bei komplexeren/individuelleren Fällen: Loslösen von möglichen Textbausteinen und Nutzen eines Freitextes

Beitragsnummer: 18146

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