Dienstag, 17. März 2020

Europa goes Sustainable Finance – Sie auch?

Max Kirschhöfer, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

 

Schlägt man die Zeitungen auf und studiert die Schwerpunkte zahlreicher Tagungen fällt eines auf: Das Thema Sustainable Finance ist von den Tagesordnungspunkten derzeit nicht mehr wegzudenken (vgl. hierzu auch BTS Bankrecht Februar 2020 S. 13). 

 

Dies mag zum einen auf die allgemeine Debatte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zurückzuführen sein, worauf wir in diesem Newsletter bereits in der Ausgabe Februar 2020 hingewiesen haben. Insbesondere aber liegt der Grund hierfür in jüngst verabschiedeten oder noch zu verabschiedenden Rechtsakten, welche in den kommenden Monaten der Umsetzung bedürfen. 

 

SEMINARTIPPS

Hamburger Wertpapier-Tage: Aufsichtsrecht & Verbraucherschutz, 04.–05.05.2020, Hamburg.

20. Bankrechts-Tag, 22.10.2020, Frankfurt/M.

4. Kölner Wertpapierrevisions-Tage, 16.–17.11.2020, Köln.

 

Bereits in Kraft getreten ist die sogenannte Offenlegungsverordnung, die Verordnung (EU) 2019/2088. Die VO (EU) 2019/2088 gilt als Verordnung europäischen Rechts unmittelbar in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten. Einer Umsetzung in nationales Recht bedarf es somit nicht. Die Verordnung ist in weiten Teilen ab dem 10.03.2021 gültig. Zur Umsetzung in den Unternehmen verbleit somit etwa noch knapp ein Jahr. Wie die Umsetzung der DSGVO gezeigt hat, bei welcher – anders als bei der Umsetzung der MiFID II – eine Verlängerung der Umsetzungsfrist nicht gewährt wurde, sollte nicht damit gerechnet werden, dass der europäische Gesetzgeber die Umsetzungsfrist verlängert. 

 

Ziel der VO (EU) 2019/2088 ist es ausweislich deren Erwägungsgrund Nr. 10: 

 

„Informationsasymmetrien in den Beziehungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisken, die Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen, die Bewerbung ökologischer oder sozialer Merkmale sowie im Hinblick auf nachhaltige Investitionen dadurch abzubauen, dass Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zu vorvertraglichen Informationen und laufenden Offenlegungen gegenüber Endanlegern verpflichtet werden, wenn sie als Auftragnehmer im Namen dieser Endanleger handeln.“ 

 

Bereits dieses in den Erwägungsgründen fixierte Ziel der VO (EU) 2019/2088 macht deren Regelungsinhalt klar: Den Instituten werden zahlreiche neue Transparenzpflichten auferlegt, welche zusätzlich und ergänzend zu den bereits bestehenden Transparenzpflichten einzuhalten sind. Die Einhaltung der sich aus der VO (EU) 2019/2088 ergebenden Transparenzpflichten wird noch dadurch erschwert, dass bestimmte und bereits veröffentlichte Informationen laufend auf deren Aktualität hin zu überprüfen sind („stets auf dem aktuellen Stand sind“, Art. 12 Abs. 1 VO (EU) 2019/2088) und etwaige Änderungen an den bereits veröffentlichen Informationen durch eine entsprechende neue Veröffentlichung auf der Unternehmenswebsite bekanntzumachen sind. 

 

Die VO (EU) 2019/2088 wird zudem durch von der Europäischen Kommission noch zu erlassende technische Regulierungsstandards ergänzt und präzisiert werden. 

 

Ein zweiter und noch zu erlassender Rechtsakt ist die Taxonomieverordnung, zu welcher nach Abschluss des Trilogverfahrens nunmehr der finale Entwurf jedenfalls in englischer Sprachfassung vorliegt. Die „Taxonomie“ soll nicht nur einen „Rahmen zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen“ schaffen, sie ändert auch die gerade erst in Kraft getretene und soeben dargestellte VO (EU) 2019/2088, was jedenfalls die Implementierung und unternehmensinterne Umsetzung der sich aus der VO (EU) 2019/2088 ergebenden Vorgaben nicht gerade erleichtern dürfte – zumal nicht klar ist, wann die Taxonomie in Kraft tritt. 

 

Die Taxonomie soll im Gefüge der neuen Nachhaltigkeitsrechtsakte den „Grundstein für einen EU-Rahmen, der die Aspekte Umwelt, Soziales und Governance in den Mittelpunkt des Finanzsystems stellt, bilden und letztlich „den Übergang der EU-Wirtschaft zu einer umweltfreundlicheren und widerstandsfähigeren Kreislaufwirtschaft“ unterstützen. Ferner sollen „Investitionen in Anbetracht der Treibhausgasemissionen, Ressourcenverknappung und Arbeitsbedingungen nachhaltiger“ gestaltet werden und all diese Faktoren sollten bei Investitionsentscheidungen berücksichtigt werden. Die Taxonomie wird daher, um ihrer Funktion als Grundstein gerecht zu werden, Vorgaben dazu machen, ob eine Wirtschaftstätigkeit als nachhaltig anzusehen ist. 

 

PRAXISTIPP

 

Die Europäische Union hat es sich zum Ziel gemacht, die international gesetzten Klimaschutzziele einzuhalten. Dies ist nach Auffassung des europäischen Gesetzgebers nur mit Unterstützung der Finanzwirtschaft möglich, da das zur Umsetzung und Erreichung der Klimaschutzziele bis zum Jahr 2030 benötigte Kapital weit über € 100 Mrd. beträgt. Dies erklärt auch die Zugkraft, mit welcher derzeit die „Nachhaltigkeitsgesetzgebung“ vorangetrieben wird. Wegen der laufenden Umsetzungsfristen, mit deren Verlängerung nicht zu rechnen ist, kann nur angeraten werden, sich nunmehr mit den neuen EU-Vorgaben auseinanderzusetzen und diese im Unternehmen umzusetzen. Denn wie die BaFin in ihrem Merkblatt zu Nachhaltigkeitsrisken hat verlautbaren lassen, sollen Nachhaltigkeitskriterien ab dem Jahr 2021 bei der Prüfung der Institute berücksichtigt werden. 


Beitragsnummer: 6422

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