Mittwoch, 1. April 2020

COVID-19: Gesetzliche und aufsichtliche Übergangsregelungen Immobilien

Jürgen Müller, Leitender Berater der vdpConsulting AG

In Rekordgeschwindigkeit hat die Legislative Gesetze zur Abmilderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Einschränkungen erlassen und die Aufsicht FAQ diverser Auslegungen z. B. für die CRR und die BelWertV veröffentlicht. Die BaFin ergänzt täglich die FAQ auf ihrer Corona-Website. Die EBA hat zusätzlich eine neue Guideline 2020/02 am 02.04.2020 mit dem Titel “Guidelines on legislative and non-legislative moratoria on loan repayments applied in the light of the COVID-19 crisis” veröffentlicht. 

Hier die kurze Zusammenfassung aller wichtigen Themen für das Immobilienkreditgeschäft:


I. Beleihungswertermittlung

Für die Realkreditprivilegierung ermitteln die Institute regelmäßig entweder den Beleihungswert nach Artikel 4 Abs. 1 Nr. 74 CRR oder gemäß Abs. 1 Nr. 76 den Marktwert. Grundlage hierfür ist u. a. der § 22 SolvV, der neben dem anders ermittelten Wert in Abs. 4, die BelWertV aus Abs. 1 als Grundlage für die Beleihungswertermittlung vorsieht. Die Bausparkassen können gemäß § 22 Abs. 2 SolvV ermitteln. 

Übergreifend ist als allgemeiner Standard für eine finale Wertermittlung die Objektbesichtigung (Außen und Innen) unter Einbeziehung der Ausnahmen nach § 24 BelWertV Abs. 3 und 3 a etabliert. Für Pfandbriefbanken gelten die Anforderungen von PfandBG und BelWertV unabhängig davon. 

Unter der Voraussetzung einer Ermittlung eines Beleihungswertes nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 74 CRR i.V. mit § 22 SolvV und hier die Absätze 1 (BelWertV) oder 4 (anders ermittelter Wert) ermöglicht die BaFin Ausnahmen unter Vornahme von Abschlägen von der sofortigen Besichtigung. Realkredit-Privilegierungen und Indeckungnahmen sind in diesen Fällen dann möglich. 

Sofern Besichtigungen aktuell wegen den Corona-Auswirkungen nicht möglich sind, sieht die BaFin folgende Mindestabschläge vor: 

  • 20 % bei fehlender Innen- und Außenbesichtigung
  • 15 % bei fehlender Innenbesichtigung
  • 10 % bei Kleindarlehen (abzusichernder Darlehensbetrag unter Berücksichtigung Vorlasten TEUR 400 nach BelWertV; TEUR 306 im anders ermittelten Wert), sofern die Ausnahmen nach 24 Abs. 3 BelWertV nicht zur Anwendung kommen

Erstmals wird die Möglichkeit eröffnet, über Video-Übertragung eine Objektbesichtigung durchzuführen. Diese mindert die Abschläge um fünf Prozent, bzw. im Kleindarlehensbereich ohne Abschlag zu arbeiten. 

Die Besichtigung ist nach Ende der Einschränkungen aufgrund von COVID-19 „unverzüglich“ nachzuholen (Ausnahme Video im Kleindarlehen). 

 

II. Beleihungswertüberwachung

Zum Umgang mit erforderlichen Überwachungen nach Artikel 208 Abs. 3 CRR gibt es noch keine FAQ der BaFin. Problematisch stellt sich hier die nach MaRisk BTO 1.2.1 Tz. 3 (vom Institut zu definieren) und bei Neubewertungsfällen erforderliche Objektbesichtigung dar. Da das Objekt bereits bekannt ist, kann ein pragmatischer Lösungsansatz die unverzügliche Nachholung der Besichtigung sein.

Der eigenständig durchgeführten Marktbeobachtung ist in dieser Situation ggü. einer normalen Entwicklung ein noch höherer Stellenwert einzuräumen. Die Marktschwankungskonzepte (MSK), die bei einer negativen Abweichung innerhalb von drei Jahren von 10 % bei gewerblichen, bzw. 20 % bei wohnwirtschaftlichen Immobilien, eine Überprüfung auslösen, werden erst nachgelagert vorliegen.  

Bitte beachten, dass nicht alle Objektarten über die MSK abgedeckt sind und damit jährlich bei Gewerbeimmobilien und dreijährlich bei Wohnimmobilien einer Überprüfung (neu bewerten) zu unterziehen sind. Neubewertung bedeutet hierbei, die Einschätzung durch eine sach- und fachkundige Person, ob die ursprünglichen Rahmenbedingungen, die dem Gutachten bzw. der Wertermittlung zugrunde liegen, weiterhin Gültigkeit haben. Diese Überprüfung im Einzelfall wäre auch bei Überschreitung der Grenzen aus den MSK (z. B. bei einzelnen Objektarten) erforderlich. Alternativ könnten auch ganze Objektportfolien pauschal reduziert werden, wobei dann keine Höherschreibung des Portfolios bei Erholung der Märkte zulässig ist. Sofern sich im Einzelfall die ursprünglichen Rahmenbedingungen nicht bestätigen, ist der Wert der Immobilie auf Basis der aktuell gültigen Richtlinien neu zu ermitteln.

Derzeit wird es von der überwiegenden Zahl der Marktteilnehmer als zu früh oder wenig seriös angesehen, Handlungsempfehlungen abzugeben. Somit kann aktuell nur eine Handlungsempfehlung für die Immobilienüberwachung und die Beleihungswertermittlung gegeben werden und die heißt: Aufmerksam die weitere Entwicklung beobachten und abwarten.

 

III. Umgang mit Stundungen und Ausfallklassifizierung

Die Anwendung des BTO 1.2.5 Tz 3 (Behandlung von Problemkrediten) ist von der BaFin aktuell ausgesetzt, sofern die Kapitaldienstfähigkeit krisenbedingt zurzeit nicht gegeben ist, bzw. im Wesentlichen vom weiteren Verlauf der Corona- Epidemie abhängt. Die üblicherweise erforderlichen Sanierungsgutachten bzw. die Fortführungsprognose kann unterbleiben, sofern das Institut im Rahmen der internen Bewertung zum Schluss kommt, dass das Unternehmen nach der Krise wieder überlebensfähig ist. 

Wichtig ist, dass auf keinen Fall Kreditnehmer aus der Intensiv-, bzw. Problemkreditbearbeitung ausgenommen werden, die sich schon vorher in finanziellen Schwierigkeiten befunden haben. Bei Inanspruchnahme der Fördermittel der KfW oder der Länder bzw. Kommunen wg. Coronahilfen ist ein entsprechendes Indiz vorhanden. 

Im Umgang mit Stundungsmaßnahmen und deren Einstufung als Forbearance gemäß Artikel 47 b CRR mit den Meldepflichten in FINREP gelten übergangsweise Sonderregelungen. Ebenfalls zur Ausfallklassifizierung gemäß Artikel 178 CRR. 

Bitte machen Sie sich hierzu im Detail mit den FAQ der BaFin und den neuen umfangreichen EBA/GL/2020/02 vom 02.04.2020 vertraut. 

IV. Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafrechtsverfahren

In Artikel 1 § 1 wurden unter bestimmten Bedingungen die Pflicht zur Insolvenzantragstellung bis 30.09.2020 ausgesetzt und in § 2 die Wirkung von Zahlungen und Sicherheitenstellungen, sowie deren Insolvenzanfechtung im Übergangszeitraum geändert. In Artikel 2 wird die Handlungsfähigkeit der Organe gestärkt und Regelungen z. B. zu Hauptversammlungen (z. B. Online) ausgeführt.

 

SEMINARTIPPS

Aufsichtsrecht Immobilien Kompakt, 04.05.2020, Frankfurt/M.

Prozessprüfungen im Kreditgeschäft, 05.05.2020, Frankfurt/M.

Risiko-Frühwarnsysteme/-signale im Bauträgergeschäft, 06.05.2020, Frankfurt/M.

Immobilien in der Eigenanlage, 30.09–01.10.2020, Frankfurt/Offenbach.

Immobilienwerte: Überwachung • Überprüfung • Neubewertung, 21.10.2020, Frankfurt/Offenbach. 

 

Wesentlich sind die Institute u. a. auch von Artikel 5 mit der Änderung des Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch betroffen. Hier wird in § 1 ein umfassendes Moratorium bis 30.06.2020 für wesentliche Dauerschuldverhältnisse von Verbrauchern oder Kleinstunternehmern bzw. KMU, die vor dem 08.03.2020 entstanden sind, getroffen. In § 2 ist ein Kündigungsschutz für nichtbezahlte Mieten oder Pachten vom 01.04.–30.06.2020 geregelt, sofern die Nichtzahlung auf Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Sollte ein Mieter die Zahlung nicht erbringen, so hat er bis 30.06.2022 Zeit, einen Mietrückstand auszugleichen, ohne mit der Kündigung rechnen zu müssen. Wie der Presse zu entnehmen, haben bereits einige große Unternehmen die Einstellung der Zahlungen mitgeteilt. 

Für Verbraucherdarlehensverträge wird in § 3 für Verträge mit Abschluss vor dem 15.03.2020 mit Wirkung vom 01.04.–30.06.2020 eine Stundung von drei Monaten ermöglicht. Kündigungen wegen Zahlungsverzugs bzw. Vermögensverschlechterung sind bis zum Ablauf der Stundung ausgeschlossen. Die Vertragslaufzeit verlängert sich ggfs. um drei Monate. Die Darlehenslaufzeit verlängert sich entsprechend um den Stundungszeitraum, d. h., dass die Rate vom 01.04.2020 erst am 01.07.2020 fällig ist. Es darf zu keiner Doppelbelastung durch die fällige Rate 01.07.2020 kommen; diese verschiebt sich ebenfalls um drei Monate nach hinten

 

PRAXISTIPPS:

  • Erstellung einer vorläufigen Wertermittlung. Finalisierung der Wertermittlung erfolgt mit Endbesichtigung. Der Vorteil dabei ist, dass die Bewertung stringent durch den Erstgutachter in die Bewertung eingeordnet werden kann.
  • Erstellung einer finalen Wertermittlung. Die Besichtigung nach Ende der Corona-Maßnahmen wird üblicherweise im Rahmen einer Folgebewertung erfasst. Die Bewertung lässt sich so bei Kapazitätsengpässen auch ggf. durch weitere Sachverständige schlanker bearbeiten.
  • Institutsindividuelle Lösung im Massengeschäft festlegen.
  • Portfolio der speziell betroffenen Betreiber-Immobilien unter besondere Beobachtung nehmen.
  • Institutsindividuell die Sonderregeln im Rahmen der Corona-Epidemie zur Kreditvergabe und Stundung festlegen und dokumentieren.
  • Soweit möglich die automatisierte Ausfallkennung des 90-Tage-Verzugs für die betroffenen Fälle technisch aussetzen, um zum einen in FINREP keine Meldungen auszulösen und erhöhte Risikogewichte bei den RWA zu verhindern.

Beitragsnummer: 6459

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