Montag, 11. Januar 2021

Gestresste Kreditportfolien

Zusätzliche Herausforderungen für Risikomanagement und Banksteuerung

Frank Neumann, Leiter Controlling, Sparkasse Bodensee

Ein kleines Virus hält die Welt in Atem. Ein (temporärer) weltweiter Wohlstandsverlust darf erwartet werden. Die Politik und Notenbanken stemmen sich mit gigantischen Hilfsmaßnahmen und Schutzschirmen gegen diese Entwicklung. Erwartet wird die schlimmste Entwicklung seit der Weltwirtschaftskrise in den 1920er und 30er Jahren, sagte die IWF-Direktorin Kristalina Georgiewa am 09.04.2020 in Washington. Es handele sich um eine beispiellose Krise.

Mehrere Monate später haben wir die Gewissheit, dass die Prognosen zutreffen. Die einsetzbaren Risikomodelle bilden die Situation jedoch infolge staatlicher Eingriffe oft nur unzureichend ab. Vor allem im Kreditgeschäft können die Auswirkungen auf die Ergebnissituation in Banken existenziell werden.

Die aufgrund der Corona-Pandemie auftretenden Rentabilitäts- und Liquiditätsprobleme der betroffenen Unternehmen führen dazu, dass der aufsichtsrechtlich gebotene Nachweis der Kapitaldienstfähigkeit nicht bzw. nur erschwert erbracht werden kann. Die von Teilen der Förderbanken teilweise eingeführte Stichtagsregelung für die Festlegung, ob sich ein Unternehmen in einer förderschädlichen Krise befindet, muss daher für die Ermittlung der Kapitaldienstfähigkeit für die Kreditwirtschaft adaptiert werden. Die Prüfungen der Kreditwirtschaft in den bestehenden Kreditportfolien laufen oft ins Leere, da die verwendeten Ratingsysteme nicht selten einen Nachlauf von zwölf Monaten haben. Zur Gewährung von Corona-Hilfsmaßnahmen an Kunden wurde die Ratingsituation oft „in statu ante Corona“ versetzt.

Folglich wissen die Entscheider um die Risiken bei vergebenen Krediten, in den verwendeten Systemen schlagen sich diese jedoch nicht nieder oder treten (noch) nicht offen zu Tage. Durch die nach wie vor vorhandene Unsicherheit der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ist zusätzlich nicht erkennbar, wann wieder verlässliche Informationen vorliegen werden. Sicher ist jedoch, dass spätestens mit den vorzulegenden Jahresabschlüssen 2020 Unternehmensergebnisse gezeigt werden müssen, die oft den Ratingstatus vor Corona in Frage stellen. Es ist zu befürchten, dass sich die Güte des Kreditportfolios innerhalb eines vergleichbaren kurzen Zeitraums deutlich verschlechtert und dieser Umstand sich über mehrere Perioden sowohl in den internen Modellen als auch in den Kapitalisierungsanforderungen von Banken auswirkt. Denkbar ist eine Kette von Ereignissen, die mit einer Ratingverschlechterung beginnt und in der Kernkapitalunterlegung nach Abzugskalender des NPL-Backstop endet. In der Zwischenzeit kommt es zu Justierungen an zentralen Parametern wie Ausfallwahrscheinlichkeiten, die wiederum den Druck auf vorzuhaltende Risikodeckungspotenziale oder real zu bildende Risikopuffer (PWB) erhöhen. Daher ist es entscheidend, möglichst frühzeitig einen realitätsnahen Blick auf die eigenen Portfolien zu haben.


Seminartipps


Für diesen Blick bieten sich neben den bekannten Instrumenten wie Unternehmergespräche und Unterlagenauswertungen auch anlassbezogene Stresstests an. Wann würde es bedeuten, ob eine Branche oder einzelne größere Kreditnehmer zum Sanierungsfall oder gar in den Ausfall geführt werden? Welche Auswirkungen hätten Anpassungen an den Gesamtbonitäten des Portfolios oder von Ausfallwahrscheinlichkeiten für die Kreditmodelle und damit für die Risikodeckungspotenziale oder auszuweisende Risiken (bis hin zur Belastung aus der PWB)? Welche Präventionsoptionen bestehen? Wie gut und handlungsfähig ist das eigene Forderungsmanagement aufgestellt und welche Indikationen liefern beispielsweise KK-Inanspruchnahmen oder Sichteinlagenentwicklungen? Ein besonderes Augenmerk bei diesen Überlegungen ist auf die Risikokonzentrationen zu legen. Oft sind genau diese Kunden/ Branchen die Achillesferse in den Modellen, aber auch in der realen GuV. 

PRAXISTIPPS

  • Priorisieren Sie Ihren Ressourceneinsatz insb. zum Erhalt der Handlungsfähigkeit und zur Vermeidung von Kreditausfällen. Sensibilisieren Sie den Vertrieb auf die zu erwartenden Auswirkungen der Jahresabschlüsse 2020 für Bonität und Pricing.
  • Überarbeiten Sie Ihre Sanierungs- und Abwicklungsprozesse, setzen Sie über das Pricing und Unternehmensgespräche mit Kunden frühzeitig beim Geschäftsmodell der Kunden an. Stellen Sie nach Jahren rückläufiger Sanierungs- und Abwicklungsaktivitäten wieder die Handlungsfähigkeit im Forderungsmanagement sicher.
  • Führen Sie anlassbezogene Stresstests durch. Wichtig hierbei ist die Betrachtung der Wirkungen bis hin zu GuV und Eigenmitteln. Fokussieren Sie sich hierbei auf bestehende Risikokonzentrationen.

Beitragsnummer: 9199

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